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Johannes Cuspinian

Johannes Cuspinian

1.1. Name, Tätigkeiten und Positionen

Johannes Cuspinian [Johannes Cuspinianus; = Spies(s)haymer; Spießheimer]

Humanist; Domschullehrer; poeta laureatus; Prof. f. Rhetorik und Poetik; Mediziner (Dr. med.); ksl. Rat, Diplomat; Wiener Stadtanwalt; historiographischer Schriftsteller; verh.

1.2. Geburts- und Todesjahr und -ort

* Dez. 1473 Schweinfurt

† 19. 04. 1529 Wien

1.3. Herkunft, Lebensbeschreibung, Konfession

Vater Hans Sp. Ratsherr und später Bürgermeister der Reichsstadt Schweinfurt; JC begann seine humanist. Studien 1490 an der Univ. Leipzig; 1491-1492 Lehrer an der Würzburger Domschule (Gehilfe des Mag. Petrus Pepon); lebte seit 1492 in Wien, erhielt 1493 v. Ks. Maximilian den Dichterlorbeer; Med.studium; 1495 unterbrach er das Med.studium, da er wg. Pest aus Wien floh; Verbindung zum Heidelberger Humanistenkreis; 1496 nach seiner Rückkehr Lehrer an der Bürgerschule St. Stephan; 1499 Promotion zum Dr. med.; 1500 Rektor der Univ. Wien; 1502 erste Ehe mit Anna Putsch (1485-1513, Großnichte des Brixener Bf. Ulrich Putsch), in dieser Ehe drei Söhne und vier Töchter; 1506 erneut Flucht vor der Pest, diesmal nach Gmunden, wo er Ks. Maximilian traf und ihm nach Innsbruck folgte; 1508 Nachfolger v. Konrad Celtis als Prof. f. Poetik und Rhetorik und auch als Führer des Wiener Humanistenkreises; seit 1510 wurde seine Lehrtätigkeit zunehmend durch zahlreiche Gesandtschaftsreisen in habsb. Diensten unterbrochen, v.a. an den ungarischen Hof unter Wladislaw II. und Ludwig II.; seit 1512 ksl. Rat; nach Anna Putschs Tod 1513 heiratete er 1514 in zweiter Ehe Agnes Stainer verw. Kisling, eine Wiener Neustädter Bürgerstochter (+ 1525); 1515 Wiener Stadtanwalt; als Diplomat Maximilians I. bemühte er sich besonders um die Heirat der Enkel des Ks., die Monarchenzusammenkunft in Wien 1515 und die Türkenabwehr; 1521 erwarb er das Dorf Groß-Engersdorf am Russbach im Marchfeld; besaß auch Land in Sievering, einem Dorf bei Wien, wo meist Wein angebaut wurde; lehrte auch Math., Med., Mineralogie. Werke: Briefe, Gedichte, Edd. antiker und mittelalterlicher Werke, pol. Augenzeugenberichte; historiographische Arbeiten, bediente sich bereits quellenkrit. Methoden, erschloss neue Quellen (Inschriften, Urkunden, Chroniken); drei Hauptwerke: (a) Gesch. der röm. Konsuln bis auf Justinian („Consules“), (b) Gesch. der röm., griech. und türkischen Ks. („Caesares“), (c) hist.-geographische Landeskunde v. Österreich unter der Enns („Austria“)

1.4. Literatur zur Person

ADB 4 (1876) 662-664 (Adalbert Horawitz); NDB 3 (1957) 450-452 (Hans Ankwicz v. Kleehoven); LThK2 3 (1959) 111 (Remigius Bäumer); LThK3 2 (1994) 1362 (Remigius Bäumer); Walther Killy (Hg.), Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache 2. Gütersloh 1989, 500 (Monika Franz); Günter Gurst/Siegfried Hoyer/Ernst Ullmann/Christa Zimmermann (Hgg.), Lexikon der Renaissance. Leipzig 1989, 186f. (Abb.) (Wieland Held/Helmut Wilsdorf); EncR 1 (1996) 461 (Mickey L. Mattox); DLL3 2 (1969) 884-886; Fränkische Lebensbilder NF 13 (1990) 1-16 (Dieter J. Weiß); Carl Haselbach, Johann Cuspinian als Staatsmann und Gelehrter (= XVII. Jahres-Bericht über das k.k. Josefstädter Ober-Gymnasium f das Schuljahr 1867). o.O., o.J.; Joseph Ritter v. Aschbach, Die Wiener Univ. 3 Bde. Wien 1865/1877/1888. Bd. 2: Die Wiener Univ. und ihre Humanisten im Zeitalter Kaiser Maximilians I., 284-309; Heinrich Julius Kaemmel, Geschichte des deutschen Schulwesens im Uebergange vom Mittelalter zur Neuzeit. Leipzig 1882 (ND Hildesheim u.a. 1986), 268; Gustav Bauch, Die Reception des Humanismus in Wien. Eine literarische Studie zur deutschen Universitäts-Geschichte. Breslau 1903, 48f.; Hans Ankwicz (v.) Kleehoven, Der Wiener Humanist Doktor Johannes Cuspinian. In: Monatsblätter des Vereines f Landeskunde v. Niederösterreich 4 (1908/9) 237-239; ders., Ein unveröffentlichter Bericht über die Überreichung des Ordens vom goldenen Vliesse an König Ludwig II. von Ungarn. In: Mitteilungen des Instituts f Österreichische Geschichtsforschung Erg.-Bd. 11 (1929) 463-473; ders., Die Bibliothek des Dr. Johann Cuspinian. In: Die österreichische Nationalbibliothek. FS. Wien 1948, 208-227; ders., Documenta Cuspiniana. In: Archiv f österreichische Gesch 121 (1957) 189-231; ders., Der Wiener Humanist Johannes Cuspinian: Gelehrter und Diplomat zur Zeit Kaiser Maximilians I. Graz/Köln [u.a.] 1959; Hans Rupprich, Humanismus und Renaissance in den dt. Städten und an den Universitäten Leipzig 1935, 295-299; Otto Rommel (Hg.), Wiener Renaissance. (= Klassiker der Wiener Kultur 1). 2. Aufl. Wien/Zürich 1947 (zuerst 1947), 377-392; W. Engel, Der Schweinfurter Humanist Johannes Cuspinianus (1473-1529). In: Altfränkische Bilder 50 (1951) o. Pag. [8-14]; Richard Berger, Cuspiniana. Neue Beiträge zum Lebensbild des Wiener Humanisten Johannes Cuspinian. In: Wiener Geschichtsblätter 26 (1971) 168-177; Dieter Koepplin, Cranachs Ehebildnisse des Johannes Cuspinian v. 1502. Seine christlich-humanistische Bedeutung. Basel 1973; Hermann Wiesflecker, Kaiser Maximilian I., Bd. 4. Wien 1981, Bd. 5. Wien 1986, passim; Paul Uiblein, Die Quellen des Spätmittelalters. In: Erich Zöllner (Hg.), Die Quellen der Gesch. Österreichs. (= Schriften des Institutes f Österreichkunde 40). Wien 1982, 113; Christine Treml, Humanistische Gemeinschaftsbildung. Sozio-kulturelle Untersuchung zur Entstehung eines neuen Gelehrtenstandes in der frühen Neuzeit. (= Humanistische Texte und Studien 12). Hildesheim/Zürich/New York 1989, 18 (mehrfache Ämter: Arzt, Historiker, Diplomat, Orator). 42f. (Fürstendienst = Sisyphosarbeit, verstellt die adäquate Beschäftigung in der Studierstube und den Umgang mit den Freunden − dies als Rat an einen humanist. Freund, Johannes Faber). 43f. (Unsicherheit v. Stellung und Gehalt am Hof). 55 und 203 Anm. 53 (Mitglied der sodalitas Danubiana). 56 (deren Zusammenkünfte fanden in seinem Haus statt); Gerhard Rill, Fürst und Hof in Österreich von den habsb. Teilungsverträgen bis zur Schlacht von Mohács (1521/22 bis 1526). Bd. 1: Außenpolitik und Diplomatie. (= Forschungen zur Europäischen und Vergleichenden Rechtsgesch 7). Wien/Köln/Weimar 1993, im Teil zu den Diplomaten: Die Humanisten: Cuspinian und Balbi, 150-156: 150f., Reg sv ferner: 16. 54. 110. 1169. 137f. 160. 162. 164. 191. 235. 252ff.; Dieter J. Weiß, Johannes Cuspinianus, 1473-1529. (= Veröffentlichungen der Ges f Fränkische Gesch Reihe 7. A). Neustadt an der Aisch 1990, 1-16; Peter Berghaus, Johannes Cuspinianus (Spießhaymer), Ende Dezember 1473 Schweinfurt - 19. April 1529 Wien. (= Numismatiker im Portrait 12). In: Geldgesch Nachrichten 27 (Juli 1992) 202-206; Tersch (1998) 160-171; Franz Hawla, Johannes Cuspinianus. In: Was wäre Wien, ohne... Von zugewanderten echten Wienerinnen und Wienern. Hg. v. Verband Wiener Volksbildung. Wien 2001, 67-71

Autobiograph. Quelle: Pellikan, Chronikon ed. Riggenbach 166

2.1. Quelle: benutzte Edition

Das Tagebuch Cuspinians. Nach dem Orig. hg. und mit Erläuterungen versehen v. Hans Ankwicz-Kleehoven. Mit 5 Abb. In: Mitteilungen des Instituts f Österreichische Geschichtsforschung 30 (1909) 280-326: 291-325 (Text)

2.2. Beschreibung der Edition, Bemerkungen

Ed. nach Orig.-Hs.; Angaben zur Überlieferung, Ort, Zustand, Beschreibung der Hs.; Auslassung einiger unverständlicher und f. Hg. völlig wertloser Bemerkungen, sonst vollst.; orthographische Vereinfachungen (angegeben)

2.3. Literatur zur Quelle bzw. Edition

Ankwicz-Kleehoven ed. (s.o. 2.1.) 280-290; Tersch (1998) 160-171

2.4. weitere Editionen; Auszüge, Übersetzungen

Johannes Cuspinians Tagebuch 1502-1527. Hg. v. Theodor G. v. Karajan. In: Fontes rerum Austriacarum I 1, Wien 1855 (= ND New York/London 1969), 397-416 (Orig.-Hs. war dem Hg. nicht bekannt (verschollen), er benutzte eine zuverlässige Abschrift, unverän. Abdruck der Abschrift mit einigen Ergänzungen); Hans Ankwicz-Kleehoven, Das Tagebuch Cuspinians. In: Mitteilungen des Instituts f Österreichische Geschichtsforschung 32 (1911) 274-293

3.1. Abfassungszeit

wohl zum jwl. Datum, in der Regel wohl noch im selben Monat; gelegentliche Nachträge

3.2. AdressatInnen

wahrscheinlich: selbst, Gott; Anna Putsch

3.3. Funktion der Quelle

wahrscheinlich: Festhalten wichtiger pers., pol., meteorol. usw. Ereignisse zur pers. Erinnerung (Tersch [1998] 161); auch seine Frau Anna Putsch machte Einträge in den Kalender (dt.), es findet sich dort ein diaristischer Dialog zw. den Eheleuten

3.4. Medium (hsl.; gedr.); Überlieferung; Ort der Hs.

hsl.; Almanach 1782 Wien, UB (neue): I 138 009/b; Abschrift durch Heyrenbach vermutlich 1766-69 (enth. fast alle Einträge, die f. JCs äußere Lebensgesch. oder f. die Zeitgesch. wichtig sind); Abschrift lässt aus: pers. Äußerungen JCs (z.B. Trauer über den Tod seiner ersten Frau), Mitteilungen über astronomische Phänomene, Wettererscheinungen, Träume, Krankheiten etc., Rezepte, med. Beobachtungen an sich und seiner Frau, Notierung ihrer Menstruationsdaten; einige Lesefehler

4.1. Berichtszeitraum

10. 06. 1501-19. 01. 1527

4.2. Sprache

lat.

4.3. Form der Quelle

annalistisch; knapp; Tagebuch: tagebuchartige Eintragungen im Stöffler-Pflaumschen Almanach f. die Jahre 1499-1531, meist kurze Randbemerkungen zu den einzelnen Kalenderdaten, hie und da Gebete oder lat. Motti am Jahresanfang; vier weitere dt. Hss. in Almanach verzeichnet; Ich-Form

4.4. Inhalt

Familienereignisse (Geburten etc.), diplomatische Reisen, Tätigkeit als Arzt; Amtshandlungen an der Univ., Unglücksfälle (Unwetter, Brand); Naturphänomene; Kriegs- und pol. Ereignisse; Gebete und erbauliche Lobpreisungen Gottes; eigenes Befinden; Träume

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