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Torsten Lüdtke

Deutscher Schwarzer Adler, Ordensritter und Landwehrmann - Theodor von Schön und die Genese eines politisch-nationalen Denkmals Marienburg

Im Jahr 1844 schildert der Staatsminister und Oberpräsident von West- und Ostpreußen im
Ruhestand, Theodor von Schön (1773-1856), in seinen Lebenserinnerungen den vermeintlich
ersten Besuch in der rund 50 km südöstlich von Danzig gelegenen Marienburg: Als junger Be-
amter war er wohl im Sommer 1803 „in Preußen auf Urlaub, und sah bei dieser Gelegenheit
Marienburg.
“ Noch rückblickend schreibt er erbost über die Zustände: „Eine Menge Menschen
war mit der Zerstörung Marienburgs beschäftigt, man riss das schönste Gewölbe des Capitel-
saals ein, man verschüttete die Kellergewölbe, man hauste wie die Vandalen es nur gekonnt
haben
.“

Als Schön diese Zeilen verfaßte, war dank seines Engagements und der von ihm ins Leben
gerufenen Denkmalsbewegung aus der ruinösen mittelalterlichen Burganlage des Deutschen
Ordens ein allseits bewundertes preußisches Nationaldenkmal geworden.

Um 1800 lag jedoch das „von jedem Kenner gepriesene seltene Werk der Baukunst“ in Trüm-
mern. Die erhaltenen Gebäude der Marienburg dienten den verschiedenen Zwecken; das
Hochschloß etwa wurde, ganz im Sinne des utilitaristischen preußischen Staates, als Magazin
und Kaserne sowie die Räume des prächtigen Mittelschlosses als Ort für eine „Weberkolonie“
und eine Armenschule genutzt.

Es waren junge Künstler, die die kulturhistorische Bedeutung der Marienburg der gebildeten
preußischen Öffentlichkeit ins Bewußtsein riefen und damit die drohende, endgültige Zerstö-
rung der Anlage abwenden halfen: 1803 verfasste der Dichter Max von Schenkendorf den
Appell „Ein Beispiel von der Zerstörungssucht in Preußen“ und Friedrich Frick gab den letz-
ten der großformatigen, nach Zeichnungen des Architekten Friedrich Gilly geschaffenen
Aquatinta-Stiche heraus, die in Bild und Wort die scheinbar abgelegene Burganlage des
Deutschen Ordens in den Mittelpunkt des Interesses rückten. Allerdings konnte erst nach
1815 – unter dem jüngst ernannten Oberpräsidenten Theodor von Schön – mit den Erhal-
tungs- und Aufbauarbeiten begonnen werden. Dabei setzte sich Schön an die Spitze einer
Bewegung zum Wiederaufbau des Denkmals, die als Vereinigung eine der ersten ihrer Art
darstellte und auch im 19. Jahrhundert als Vorbild des Kölner Dombauvereins gesehen wer-
den kann. In einer ausgedehnten, und über Jahre hinweg geführten Korrespondenz gewann
Schön, das preußische Königshaus, die großen Adelsfamilien, die Städte, Bürger und Bauern
Ost- und Westpreußens, aber auch Künstler und Gelehrte zur Mitwirkung am Auf- und Aus-
bau der Marienburg. Dabei traten jedoch bald neben den Plan eines einfachen Wiederauf-
baus weitere Ideen: Durch die Mitwirkung an der Ausstattung und die Ausstattung selbst –
so glaubte Schön – könnte die Marienburg für alle Preußen zu einem „fröhlichen Westmins-
ter
“ werden, zu einem nationalen und politischen Denkmal mit integrativer Funktion für die
preußische Bevölkerung.

In der Dissertation soll in drei verschiedenen Längsschnitten gezeigt werden,

  1. wie die von 1815 bis 1856 währende Instandsetzung und Ausschmückung der
    Marienburg unter Schöns Aegide zur Stilisierung des Bau:werks als politisches
    und nationales Denkmal beitrug.wie der Oberpräsidenten von Schön die feder-
    führende Rolle in einem Kreise von „Mitarbeitern“ – in der von ihm begründeten ‚
    Denkmalsbewegung’ – übernimmt und seine  Vorstellungen verwirklicht. Dabei
    müssen auch die Positionen der ‚tragenden Figuren’ der Denkmalsbewegung
    herausgearbeitet und die Frage nach Kontinuitäten und Wandel in dieser Grup-
    pe geklärt werden.
  2. wie die Zielsetzung für die restaurierte Marienburg als eines politisch-nationalen
    Denkmals sich im Kontext der preußisch-deutschen Politik wandelte. Während
    1821 noch das Zusammenwirken aller Stände Preußens im Sinne einer konsti-
    tutionellen Staatsidee im Vordergrund des ‚preußischen Denkmals Marienburg’
    stand, wie es Schön auch gegenüber dem Staatskanzler Karl August Fürst von
    Hardenberg verdeutlichte - sie werde „die Symbole der höchsten Ideen unseres
    Staats enthalten, das alte Ritter- und das Landwehr Kreuz, den Ritter und den
    Landwehr Mann, das Zelt vor Acre im Morgenlannde und der General Landtag
    im Jahre 1813, der Einzug des Hoch Meisters und die erste Schlacht der Land-
    wehr, […] u. über Alles unser deutsche[r] schwarze[r] Adle
    r“, treten solche Vor-
    stellungen bald in den Hintergrund, um von restaurativen und rein musealen -
    Zwecken abgelöst zu werden.

Neben den Ideen und Plänen, den publizistischen, (architektur-)historischen und künst-
lerischen Werken Schöns und seiner Mitstreiter werden auch öffentliche Kundgebungen
und Festveranstaltungen zur Popularisierung des Bauwerks „Marienburg“ als „preußi-
sches Nationaldenkmal“ vor dem Hintergrund ihrer geistes-, kultur- und ideengeschicht-
lichen Zusammenhänge im Spannungsfeld von Restauration und Revolution untersucht,
analysiert und auch im Hinblick auf ihre Nachwirkungen befragt.

Kontakt

torsten.luedtke[at]fu-berlin.de

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