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Landschaft, Kanon und Intermedialität in der chinesischen Malerei der 1930er und 1940er Jahre

Projektleiterin

Dr. Juliane Noth

DFG Forschungsprojekt

Zweite Förderphase: 01.05.2015 - 30.04.2017

Projektbeschreibung

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts unterlag die chinesische Landschaftsmalerei grundlegenden Veränderungen. Künstler, die in dem klassischen Medium der Tuschemalerei arbeiteten, mussten sich nicht nur in Auseinandersetzung mit den Künsten und dem Kunstverständnis der europäischen Tradition neu positionieren, sondern auch ihre eigene Tradition neu definieren. Die formalen Mittel, die theoretischen Grundlagen und die Geschichte der nun „nationale Malerei“ (guohua) genannten Tuschemalerei wurden neu bestimmt. Das Projekt untersucht die komplexen Prozesse kultureller Übersetzung, die die Formierung dessen, was im 20. Jahrhundert unter „nationaler Malerei“ verstanden werden sollte, begleiteten; im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Landschaftsmalerei als die wichtigste Gattung der chinesischen Malerei. Die genannten Übersetzungsprozesse schließen nicht nur die Rezeption der europäischen Malerei und des japanischen Blicks auf die chinesische Malerei ein, sondern auch die Überlieferung von vormoderner chinesischer Maltechniken und Kunstgeschichten. Sie brachten eine veränderte Auffassung des künstlerischen Kanons und intensive Debatten über dessen Standards mit sich. Diese epistemologischen Verschiebungen gingen mit einer veränderten Bewertung visueller Wahrnehmung einher. Viele Künstler reisten zu berühmten Bergen und spektakulären Landschaften, um vor Ort zu zeichnen; diese Praxis wird in vielen Landschaftsbildern jener Zeit sichtbar. Daneben verwendeten die Maler verschiedene Bildmedien, um ihre Erfahrungen umzusetzen, u.a. Fotografie und Bleistiftzeichnungen, oder sie nutzten die traditionellen chinesischen Malutensilien im Reiseformat. Das Projekt untersucht, wie diese Neuerungen mit der Medialität der Tuschemalerei vereinbart wurden und wie diese Veränderungen von den Malern selbst diskutiert wurden. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht eine Gruppe von Künstlern, die in den 1930er Jahren in Shanghai tätig waren und eng zusammenarbeiteten. Die bildnerischen Arbeiten dieser Künstler aus den 1930er und 1940er Jahren werden mit und gegen ihre Texte gelesen, um die Übereinstimmungen, Spannungen und Widersprüche zwischen den verschiedenen Text- und Bildformaten zu bestimmen. Methodisch bedient sich das Projekt des Begriffs der Intermedialität, um die Verschiebungen und Brüche zu beschreiben, die bei formalen oder semantischen Übertragungen von einem Bildmedium in ein anderes auftreten, und um die Wechselwirkungen zwischen Bildern und Texten zu erfassen. Das Konzept der Intermedialität wird hierbei verknüpft mit dem der kulturellen Übersetzung, da im Moment der transmedialen Übertragung Bedeutungsverschiebungen und -zuschreibungen besonders sichtbar werden. Das Projekt wird dadurch herausarbeiten, wie die „traditionelle“ Malerei des 20. Jahrhunderts in Auseinandersetzung mit Medien entstand, die als genuin modern verstanden wurden.

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Deutsche Forschungsgemeinschaft