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Transkulturelle Verhandlungsräume von Kunst. Komparatistische Perspektiven auf historische Kontexte und aktuelle Konstellationen

 

Nach zwei Förderphasen durch die DFG ist die Arbeit der Forschergruppe abgeschlossen. (2011-2020)

Projektziele

Die Forschergruppe verfolgt das Ziel, die Bedeutung von künstlerischen Objekten und Praktiken als Faktoren und Indikatoren kultureller Wandlungs- und Verflechtungsprozesse in vergleichender Perspektive zu untersuchen. Die komparatistische Grundstruktur des Forschungsverbundes richtet sich an einer diachronen Achse aus, die einen Untersuchungszeitraum zwischen dem 13. und dem späten 20. Jahrhundert erschließt. Damit wird ein Ereignisraum fokussiert, der in geopolitischer Hinsicht als Entstehung des modernen Weltsystems bezeichnet worden ist, das lokale Verhältnisse in historisch neuartiger Intensivierung mit Fernereignissen und -wirkungen verknüpft hat. Auf einer synchronen Ebene werden kulturübergreifend Verflechtungsprozesse analysiert, die lokale/regionale Verständigungsformen und Traditionen des Künstlerischen in je spezifischer Weise affizieren und transformieren. Mit einer Auffächerung der Untersuchungsschwerpunkte auf Dynamiken künstlerischen Wandels in Afrika, Europa, Nord- und Südamerika sowie Ostasien zielt die Forschergruppe durch die Zusammenführung regionalwissenschaftlicher und sprachspezifischer Kompetenzen und die Einbindung komparatistischer Methoden benachbarter Disziplinen auf eine integrative Kunstforschung, die konzeptuelle Alternativen zu einem epochal und kulturräumlich begrenzten Ensemble von Teilkunstgeschichten bereitstellt. Die zentralen Erkenntnisinteressen der Forschergruppe können dabei in folgenden Fragestellungen umrissen werden:
– Weisen Kunstwerke/Artefakte in heteronom strukturierten kulturellen Verflechtungsprozessen, die stets auch von ökonomisch, machtpolitisch, ethnisch und religiös motivierten Einflussfaktoren geprägt sind, eine historisch überprüfbare Spezifik auf, die es gestattet, künstlerische Objekte als Reflexionsmedien dieser Verflechtungsprozesse zu interpretieren?
– Lassen sich strukturell analoge Modi der transformierenden Einarbeitung und Resemantisierung exogener Anregungen in ein historisch gewachsenes Repertoire künstlerischer Optionen und Praktiken nachweisen?
– Wie verändern sich die diskursiven Praktiken der Bedeutungszuweisung, wenn Entstehungs- und Rezeptionskontexte von Werken sowohl durch die Zirkulation der Werke selbst als auch durch Mobilitätsmuster und Migrationsbewegungen von Produzent/innen und Rezipient/innen vereindeutigende Herkunftsindizes und kulturelle Kodierungen verlieren?
Die Arbeitsvorhaben gliedern sich in folgende drei Projektbereiche:

A. Expansionen religiöser Deutungssysteme und transkulturelle Ästhetiken des Sakralen

Die Überlagerung und wechselseitige Durchdringung religiöser Expansionsbewegungen ist ohne eine profilierte repräsentationsanalytische Komponente kaum angemessen zu erfassen. Die (kultische) Vermittlung des Transzendentalen im und als Bildwerk wird dabei selbst zum Kriterium der Unterscheidung, welche einerseits die konfessionelle Ausdifferenzierung des orbis christianus vorantreibt und andererseits das kulturelle Beziehungsgefüge zwischen den monotheistischen Religionen im Mittelmeerraum nachhaltig prägt. Das Bedingungsverhältnis zwischen konfessioneller Spaltung und Intensivierung der Missionsaktivitäten potenziert die dogmatischen Bedeutungszuweisungen an das Bild und die materielle Verflechtung heterogener Bildkulturen zusätzlich. Zwei Projekte mit unterschiedlich gestaffelten Referenzregionen (Italien, Naher Osten, Indien; Spanien, Mittel- und Südamerika) analysieren in der Perspektive der entangled histories und der histoire croisée reziproke Resemantisierungsprozesse sakraler Repräsentationen, die mit vorherrschenden binären Analyseschemata (global/lokal; Aneignung/Abgrenzung) nicht erfasst werden können. Im Anschluss an neuere kultursoziologische Ansätze zur Akteur-Netzwerktheorie erweist sich in beiden Projekten die Fokussierung auf die transnationalen Organisationsformen der in der Mission tätigen Ordensgemeinschaften als ergiebig, in deren Reflexionen zum Gebrauch von Bildwerken sich bereits eine implizite ›transkulturelle‹ Komparatistik bildlicher Signifikationen nachweisen lässt.

A. 1 Charisma des Fremden. Ästhetiken religiöser Transferprozesse in Mittelalter und Früher Neuzeit (Prof. Dr. Klaus Krüger)

A. 2 Glokalisierungsprozesse in der Ordenskunst der Frühen Neuzeit (Prof. Dr. Margit Kern)

 

B. Transgressive Itinerare und transkulturelle Ästhetiken des künstlerischen Austauschs

Bei der Analyse künstlerischer und kultureller Austauschprozesse erweist sich das Paradigma moderner Nationalstaatlichkeit, das implizit auch noch neuere Ansätze in der Kulturtransferforschung grundiert, als ein großes Hindernis. Aber auch das methodische Instrumentarium kunsthistoriographischer Forschung – nicht nur jene westlicher Provenienz – war lange auf den inventarisierenden Nachweis lokaler oder regionaler Schulzusammenhänge und die statische Kartierung distinkter Kunstlandschaften fixiert. Das Aufgreifen sozialanthropologischer Kategorien, die auf Figurationen des ›Dazwischen‹ und der ›Passage‹ abheben, erweist sich für die Analyse künstlerischer Mobilität und mit ihr korrespondierender ästhetischer Praktiken als fruchtbar. Die in diesem Projektbereich zusammengefassten Forschungsvorhaben verstehen sich dabei zum einen als Baustein für eine Geschichte der Künstlerreise in transkultureller Perspektive, die nur gelingen kann, wenn mobilitätsbedingte Konflikte von Bildverständnissen innerhalb vermeintlich homogener Bildkulturen mit in die Untersuchung einbezogen werden. Zum anderen erweisen sich kulturelle Kontaktzonen wie Hafenstädte und das Konzept ›litoraler Gesellschaften‹ als ergiebige ›transnationale‹ Bezugsgrößen, um die durch die Verstetigung merkantiler Beziehungen vorangetriebene Verschmelzung lokaler und globaler Imaginationshorizonte und korrespondierende Bildformen in vergleichender Perspektive zu analysieren.

B. 1 In Bewegung. Künstlerische Mobilität und transkultureller Austausch in der Frühen Neuzeit (Prof. Dr. Karin Gludovatz)

B. 2 PORTUS. Medialität und visuelle Topik des maritimen Fernhandels in Japan und den Niederlanden (Prof. Dr. Joachim Rees)

C. Von der Erfindung der »Weltkunst« zur Dezentrierung der Moderne

Die diskurskritische Historisierung der Moderne und ihrer inhärenten Universalitätsansprüche kann als eine der vordringlichsten Aufgaben einer transkulturell perspektivierten Kunstforschung gelten. Nicht nur in Europa und Nordamerika können seit dem späten 19. Jahrhundert künstlerische Tendenzen der Gegenwart immer weniger als Fortsetzung vermeintlich autochthoner kultureller Traditionen gedeutet werden. Kunsthistorische Narrative verfestigen einerseits nationalstaatliche Identitätspolitiken oder sanktionieren imperiale/zivilisatorische Hegemoniediskurse. Andererseits führt eine disziplinäre Öffnung gegenüber ethnologischen und anthropologischen Fragestellungen erstmals zur Konzeptualisierung eines Begriffs von ›Weltkunst‹. Für die Projekte dieses Projektbereichs bildet daher die ›Sattelzeit‹ um 1900 einen analytischen Ausgangspunkt, von dem aus der Dezentrierung des Modernismus-Paradigmas sowohl in der fallbezogenen Werkanalyse als auch im Hinblick auf die Ausdifferenzierung der Diskursformen im Schnittbereich von Kunstgeschichte, -theorie und -kritik in der post-kolonialen Situation nach 1960 nachgegangen wird. Die komparatistische Auffächerung der Untersuchungsschwerpunkte auf Asien, Südamerika und das Atlantische Dreieck erweist sich dabei zugleich als heuristisches Korrektiv gegenüber essentialistischen Zentrismen in der Theoriebildung zur Gegenwartskunst.

C. 2 Weltkunst und Kunstwelt – damals und heute (Prof. Dr. Tobias Wendl)

C. 3 Fiktionen des Originals. Praxis- und diskursanalytische Untersuchungen zur Kunst aus Afrikas (Dr. phil. habil. Paola Ivanov; Prof. Dr. Tobias Wendl)

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