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Band 44: AA und MfAA - Außenpolitische Kooperation und Reorganisation (2015)

Prof. Dr. Eun-Jeung Lee

Titel
Band 44: AA und MfAA - Außenpolitische Kooperation und Reorganisation
Verfasser
Prof. Dr. Eun-Jeung Lee
Mitwirkende
Arne Bartzsch / Alexander Pfennig, Jean Yhee, Daniel Schumacher, Dung Vu Tien, Hanan El-Asmer, Katharina Müller, Hoon Jung
Art
Text

Auswärtiges Amt (AA) und

Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA)

– Außenpolitische Kooperation und Reorganisation

 

 

Arne Bartzsch

in Zusammenarbeit mit Alexander Pfennig, Jean Yhee, Daniel Schumacher,

Dung Vu Tien, Hanan El-Asmer und Katharina Müller

 

 

 

Deutsch-deutsche Kontakte auf außenpolitischer Ebene

 

Seit der effektiven Teilung Deutschlands 1949 durch die Gründung zweier deutscher Staaten – Bundesrepublik Deutschland (BRD) und Deutsche Demokratische Republik (DDR) – bestand ein gewisses Dilemma bezüglich des offiziellen gegenseitigen Kontaktes. Das Problem der offen gehaltenen gegenseitigen Anerkennung verbat es der BRD, die DDR als „Ausland“ zu deklarieren. Denn dadurch hätte man implizit die Existenz eines anderen deutschen Staates anerkannt, und damit verbunden die Teilung Deutschlands. Außerdem hätte man den Anspruch verwirkt, alleiniger Vertreter Deutschlands zu sein.[1] Die DDR, die die Zwei-Staaten-Theorie favorisierte, konnte sich in ihrem Bemühen um staatliche Anerkennung außerhalb des Ostblocks zunächst kaum durchsetzen. Dies änderte sich erst durch die Ost-West-Annäherung und den Prozess der „Normalisierung“ Anfang der 1970er Jahre, insbesondere durch den Grundlagenvertrag zwischen BRD und DDR von 21.12.1972 (s. Band 43, Dokument Nr. 24) und die Aufnahme beider deutscher Staaten in die UNO am 18.09.1973.

 

Das Grundprinzip der Offenhaltung des Status jedoch – so rhetorisch und realitätsfern dies auch im Laufe der faktischen Teilung zunehmend gewirkt haben mag – wurde hinsichtlich des offiziellen Kontaktes (zumindest von BRD-Seite) durchgehend beibehalten. Bundeskanzler Brandts Ausdruck von „zwei Staaten einer Nation in Deutschland“ ist für diesen deutsch-deutschen Zwiespalt charakteristisch. Die Beziehungen zwischen BRD und DDR wurden als „innerdeutsch“ deklariert. Entsprechend war für die diplomatische Kontaktpflege nicht wie im Fall der Beziehungen zu anderen Staaten das Außenministerium zuständig, sondern in der BRD nominell das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen (BMB; ursprünglich Bundes­ministerium für gesamtdeutsche Fragen), und in der Praxis das Bundeskanzleramt. Auf DDR-Seite war für die innerdeutsche Diplomatie bezeichnenderweise das MfAA zuständig.

 

Für die konkrete diplomatische Arbeit wurde schließlich im Rahmen des Grundlagenvertrages die Sonderkonstruktion der Ständigen Vertretungen (StäV) geschaffen. Im Unterschied zu herkömmlichen Botschaftern, die gemäß der Wiener Konvention von 1961 in anderen Staaten tätig sind, galt hierbei folgende Überkreuz-Regelung:

Der Ständige Vertreter der BRD bei der DDR war Staatssekretär im Bundeskanzleramt (damals in Bonn) und dem MfAA zugeordnet. Der Ständige Vertreter der DDR in der BRD war Staatssekretär im MfAA und dem Bundeskanzleramt zugeordnet (also nicht wie sonst üblich dem Auswärtigen Amt, oder wie gemäß der nominellen Zuständigkeit zu erwarten dem BMB).

 

Die unterschiedliche Einordnung des diplomatischen Kontaktes bei beiden deutschen Staaten macht das jeweilige Verständnis bzgl. Zweistaatlichkeit deutlich. Dies wurde bis kurz vor der Wiedervereinigung beibehalten. Ein Treffen beider Außenminister fand bis dahin nie offiziell zu bilateralen Gesprächen zwischen BRD und DDR statt, sondern nur im multilateralen Rahmen. So stellt noch am 19.10.1989 BRD-Außenminister Genscher gegenüber dem Stell-vertretenden DDR-Außenminister Ott bei einem Treffen bei der Konferenz des IEWSS (Institute for East-West Security Studies) fest, „daß er nicht zuständig für die DDR sei. Seine Gespräche mit [DDR-]Außenminister Fischer habe er jeweils über die Themen geführt, die unsere gemeinsame Verantwortung für die Stabilität in Europa betreffen.“ (Dokument Nr. 6; siehe auch Dokumente Nr. 1 und 5)

 

Dass man seitens des AA offiziellen Kontakt zum MfAA vermied, hieß allerdings keineswegs, dass man sich gänzlich aus der DDR-bezogenen (Außen-)Politik heraushielt. Zum einen besaß die Deutsche Frage allgemein äußere Aspekte, die im größeren internationalen Rahmen betrachtet werden mussten. Multilaterale Themen, die mit der DDR verhandelt wurden, finden sich beispielsweise durch das AA-Referat 223 (‚Abrüstung und Rüstungskontrolle in den Vereinten Nationen und ihren Sonderorganisationen‘) behandelt: „Mit der DDR besteht seit 1981 eine Praxis regelmässiger Konsultationen der beiderseitigen Rüstungs­kontroll­beauftragten (Botschafter Holik [Beauftragter der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle = AA-Abt. 2A] - Stellv. [DDR]-Außenminister Krabatsch).“ (Dokument Nr. 4). Außerdem arbeitete man mit dem Bundeskanzleramt zusammen, welches die direkten Kontakte zur DDR-Regierung pflegte. Das Referat 210 des AA, zuständig für ‚Außenpolitische Fragen, die Berlin und Deutschland als Ganzes betreffen‘, erstellte etwa Sachstandsberichte über die innerdeutschen Beziehungen (Dokument Nr. 2) oder fertigte für einen Besuch des Bundesministers für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes Seiters in Ost-Berlin Gesprächsunterlagen an (Dokument Nr. 3).

 

 

Intensivierung der „innerdeutschen Außenpolitik“

 

Während des Umbruchs in Europa und der folgenden Öffnung der DDR entwickelten sich für die deutsche Außenpolitik bedeutsame Problem- bzw. Handlungsfelder. Zum einen betraf dies ab Mitte 1989 die Fluchtbewegung von DDR-Bürgern in Richtung BRD. Die Proklamation von Bundesaußenminister Genscher vom Balkon der Prager Botschaft am 30.9.1989 zur Ausreise der DDR-Bürger ist eines der stärksten Bilder der friedlichen Revolution der DDR. Vor allem aber stellte die Fluchtbewegung eine besondere Herausforderung für die BRD-Botschaften in den Nachbarländern und für den Auswärtigen Dienst des AA dar. Dies galt gegenüber den Ländern, über die die DDR-Bürger flüchteten. Aber auch innerdeutsch stand man unter starkem Druck, beispielsweise bei der Organisation der „Flüchtlingszüge“ in die BRD oder bei der Aufgabe, die staatsbürgerrechtlichen und konsularischen Angelegenheiten zu regeln (Dokument Nr. 8; zur Problematik der DDR-Flüchtlinge siehe auch Band 31).

 

Zum anderen war die friedliche Reformbewegung in der DDR eingebettet in die Dynamiken in Mittel- und Osteuropa und in die Veränderungen, die zwischen den Bündnisblöcken von West und Ost entstanden. Bereits ab Mitte der 1980er Jahre wurden verstärkt sicherheitspolitische Fragen auf multilateralen Ebenen verhandelt, vor allem bzgl. gegenseitiger Abrüstung. Außer-dem kamen immer stärker die wirtschaftlichen Defizite des Ostblocks zu Tage, wogegen auf der anderen Seite die Erfolge der Europäischen Gemeinschaft standen. Ab Ende 1989 standen diese Themen in Deutschland verstärkt unter dem Zeichen der Wiedervereinigung, deren äußere Aspekte in starkem Maße durch das AA und das MfAA behandelt wurden (siehe hierzu die Bände 45 und 31).

 

 

Organisation der außenpolitischen Aufgaben im Einigungsprozess

 

Um den komplexen Aufgaben begegnen zu können, die sich durch die europäischen Reformbewegungen und durch den sich immer stärker abzeichnenden deutschen Einigungs­prozess ergaben, begann man bald neue Gremien für die Koordination der Außenpolitik einzurichten. Dies betraf zum einen die Zusammenarbeit innerhalb der Bundesregierung und innerhalb des AA selbst, und zum anderen mehr und mehr die Kooperation zwischen AA und MfAA.

 

Am 7.2.1990 wurde im Kabinettausschuss Deutschlandpolitik / Deutsche Einheit die Gruppe „Außen- und sicherheitspolitische Zusammenhänge“ gebildet.[2] In ihr wurden in den kommenden Monaten kabinettsübergreifend die zentralen Themen wie Abrüstungsverhand-lungen, KSZE-Rahmen, Vier-Mächte-Rechte und -Verantwortlichkeiten oder außen- und sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit der DDR besprochen (Dokumente Nr. 9, 10, 14, 18 und 20).

 

Auch im Bundestag beschäftigte man sich mit den außenpolitischen Themen der Wieder-vereinigung. So z.B. im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages oder im Bundestags-Unter-ausschuss für Abrüstung und Rüstungskontrolle (Dokumente Nr. 15 und 16).

 

Im AA wurden interne Arbeitsgruppen gebildet, die sich mit den Problematiken der Herstellung der deutschen Einheit beschäftigen sollten. Durch einen Hauserlass vom 16.2.1990 gab das AA einen Arbeitsauftrag an alle Abteilungen, „Punkte für eine Diskussion über die Angleichung der außenpolitischen Tätigkeitsbereiche der DDR“ zusammenzustellen. Demnach war eine „Projektgruppe Deutsche Einheit“ geplant (Dokument Nr. 12). Das Referat ‚Organisation‘ unterrichtet schließlich am 12.6.1990 – in Reaktion auf die vermehrten Aufgaben durch die 2+4-Verhandlungen – alle Arbeitseinheiten über besondere „Organisatorische Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bearbeitung deutschlandpolitischer Fragen in der Zentrale des Auswärtigen Amtes“. Konkret handelt es sich hier um die Bildung eines „Arbeitsstabs 2+4“ und der Bestellung eines zusätzlichen Stellvertretenden Politischen Direktors (Dokumente Nr. 36 und 40).

 

Auch zwischen den beiden deutschen Außenministerien intensivierte sich bald der Austausch. Am 2.3.1990 wird die Einrichtung einer gemeinsamen Auswärtigen Kommission des AA und des MfAA angekündigt, deren gemeinsamen Vorsitz die Außenminister führen. Sie soll ab 18.03.1990 eingerichtet werden, also unter Beteiligung der dann neu gewählten DDR-Regierung. (Dokument Nr. 19) Am 11.05.1990 treffen sich neun Beamte des AA mit der neuen Führungsmannschaft des MfAA in Ost-Berlin „zur Beratung und Vorbereitung der personellen Zusammenarbeit“ (Dokument Nr. 25). Am 01.06.1990 findet schließlich die konstituierende Sitzung dieses nun „Kontaktkommission von AA und MfAA“ (später auch „Kontaktgruppe“) genannten Gremiums statt (Dokumente Nr. 29, 32 und 65).

 

Auf höchster Ministerebene schließlich treffen sich nach der Bildung der neuen DDR-Regierung deren Außenminister Meckel und Bundesaußenminister Genscher zu diversen Gesprächen (Dokumente Nr. 22, 24, 28 und 33).

 

Eine weitere Koordinierung zwischen AA und MfAA erfolgte durch die „deutsch-deutsche Arbeitsgruppe Vereinte Nationen“ (Dokument Nr. 43). Darüber hinaus fanden zwischen beiden Außenministerien diverse Ressortberatungen statt (Dokument Nr. 46), Besprechungen der jeweiligen Planungsstäbe (Dokument Nr. 38), sowie Austausch zwischen verschiedenen Abteilungen und Expertengruppen (Dokumente Nr. 25, 39 und 42).

 

 

Integration bzw. Abwicklung von diplomatischem Dienst und MfAA

 

Während sich die Realisierung der deutschen Einheit konkretisierte, machte man sich sowohl im AA wie auch im MfAA zunehmend Gedanken über eine Vereinheitlichung und im Endeffekt über eine Vereinigung der außenpolitischen Arbeit und des diplomatischen Dienstes. Durch die politische Neuausrichtung der DDR und teilweise Desillusionierung der Mitarbeiter einerseits (viele Mitarbeiter im MfAA und im diplomatischen Dienst der DDR waren getreue SED-Mitglieder), und durch zunehmenden Mangel an Ressourcen bzw. an Bereitschaft, solche für das „sinkende Schiff“ einzusetzen, gerieten besonders die Botschaften und Auslands-vertretungen der DDR in Schwierigkeiten. Dies verschärfte sich vielerorts durch mangelnde Koordination und Anweisung von Seiten des MfAA. Am 15.02.1990 berichtet der Ständige Vertreter der DDR in Bonn, Grames, über die entsprechende Personalsituation. Im MfAA seien demnach derzeit zwischen 2.000 und 2.500 Personen beschäftigt; ca. 5.000 Personen arbeiten für den Auswärtigen Dienst. Personalabbau habe eingesetzt, wie vom Bundeskanzleramt (!) vorgesehen (Dokument Nr. 11).

 

Diverse Botschafter (sowohl von der BRD wie auch von der DDR) berichten über gegenseitige Kooperation in den jeweiligen Gastländern, sei es durch Informationsaustausch, Absprachen in außenpolitischen Angelegenheiten oder durch Teilen der Räumlichkeiten und Ressourcen oder auch der Aufgaben (Dokumente Nr. 8, 26, 27 und 35). Dies geschah (BRD-seitig) auf ausdrückliche Weisung des AA hin (Dokument Nr. 34). Zunehmend finden sich in diesen Botschafter-Berichten Klagen über mangelhafte Zustände in den DDR-Vertretungen, sowohl bzgl. Personal wie auch bzgl. Ausrüstung, beziehungsweise über mangelnde Weisungen des MfAA (Dokumente Nr. 41 und 58).

 

Während in der Anfangsphase des Einigungsprozesses noch stellenweise ein gewisser Optimismus des Auswärtigen Dienstes der DDR zu finden war – etwa Ende Mai 1990 hinsichtlich der möglichen Aufnahme neuer diplomatischer Kontakte mit eigener Vertretung in Israel und Südkorea (Dokumente Nr. 27 und 31) – so wich dieser rasch der Erkenntnis, dass eine eigenständige DDR-Diplomatie immer weniger reale Grundlage haben würde. Am 21.06. und 13.07.1990 treffen sich Rechtsexperten von AA und MfAA, um über die DDR-Liegen­schaften im Ausland zu beraten, wozu u.a. die DDR-Botschaften und -Konsulate zählten. Im entsprechenden Vermerk des AA wird statiert, dass die Besprechung am 22.06. geprägt sei von der sich rapide verschlechternden finanziellen Situation der DDR im Liegenschaftsbereich. Der Liegenschaftsabteilung drohe sukzessiver Abbau; Erhaltungsmaßnahmen (Renovierung etc.) würden eingestellt. Die geordnete Überleitung (an das AA) gerate in Gefahr (Dokument Nr. 39).


 

Jene Überleitung der DDR-Auslandsvertretungen bzw. der entsprechenden Liegenschaften an das AA wurde schließlich mehr und mehr zum Hauptthema. Beispielhaft hierfür berichtet der BRD-Botschafter in Moskau, Blech: Das zukünftige Format der Botschaft hänge vom Stellenwert der Sowjetunion in der deutschen Politik ab. Dabei sei rechtzeitig das Erbe der DDR mit zu berücksichtigen, insbesondere deren Interaktionen und administrative Infra­struktur. Die Schließung von DDR-Einrichtungen auch in den Teilrepubliken (bspw. das Konsulat Minsk) ohne bundesdeutschen Ersatz in Folge der Vereinigung wäre politisch nicht zu vertreten. Der DDR-Botschafter habe die Offenlegung seiner Kontakte angeboten, was angesichts des „historisch“ großen Engagements der DDR in der SU ein Gewinn für die BRD sein würde. Für die Bewältigung der zunehmenden Aufgaben durch die gesamtdeutsche BRD-Botschaft sei unbedingt eine Aufstockung des Personals notwendig, das bereits unter Überarbeitung leide. Gleiches gelte für die Erweiterung und Ausstattung der Räumlichkeiten. (Dokument Nr. 45)

 

Für die BRD ergeben sich durch die Übernahme der DDR-Auslandsvertretungen einige neue Chancen. Man selektiert gemäß dem zu erwartenden Nutzen, wie auch der Leiter des AA-Referates 111 ‚Liegenschaften und Sachverwaltung der Vertretungen im Ausland‘ Weindel vermerkt: Wegen möglicher Eröffnungen von Generalkonsulaten in Minsk, Danzig, Breslau, Stettin und Ho-Chi-Minh-Stadt (Saigon) sowie den möglichen Aktivitäten (Gesamt-) Deutschlands in P‘yŏngyang und Pnom Penh werde die Aufgabe der DDR-Liegenschaften in den entsprechenden Orten durch Mitteilung an das MfAA gestoppt. In Beira, Sansibar, Guinea-Bissau, Georgetown, Warna und Pressburg (Bratislava) sei keine Neueröffnung von Vertretungen vorgesehen. Gegenüber dem MfAA sei daher für diese Orte kein Bedarf angemeldet worden (Dokument Nr. 50). Ähnliche Einschätzungen gelten bzgl. der Fortführung bzw. Integration von DDR-Botschaften durch BRD-Auslandsvertretungen (Dokumente Nr. 54, 58 und 62). Zur genauen Beurteilung der Liegenschaften bzw. ihrer Immobilien werden schließlich Experten vor Ort geschickt (Dokumente Nr. 73 und 74).

 

Das MfAA gibt schließlich am 23.08.1990 eine interne Sachstandsinformation zur Beendigung der Tätigkeit der diplomatischen Vertretungen der DDR, zur Schließung von Botschaften und Generalkonsulaten, sowie zur Reduzierung des Gesamtpersonals aller Auslandsvertretungen. Mit dem Auswärtigen Amt (AA) sei abgestimmt worden, dass am Tage des Beitritts der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes (03.10.1990) die diplomatischen Vertretungen der DDR im Ausland, ihre Ständigen UN-Vertretungen und -Delegationen, ihre Delegationen bei den „23“er bzw. den „35“er Verhandlungen und dem Vorbereitungsausschuss für den KSZE-Gipfel in Wien ihre Tätigkeit einstellen. Das Personal werde bis dahin schrittweise zurückgezogen. Die Übernahme der Immobilien und des Inventars und die entsprechenden Abwicklungsarbeiten würden mit dem AA abgesprochen. (Dokument Nr. 63)

 

Das Schicksal des MfAA selbst geschah dann analog zum diplomatischen Dienst der DDR. Die Übernahme von MfAA-Mitarbeitern durch das AA war dabei ein zentrales Anliegen des MfAA. Ähnliches galt hinsichtlich der DDR-Diplomaten, für die sich der „Verband der Berufsdiplomaten der DDR“ einsetzte (Dokument Nr. 69). Die Antwort von Bundesaußenminister Genscher darauf hin fällt recht „diplomatisch“ aus: Das Auswärtige Amt werde wie die anderen Bundesministerien auf Grundlage des Einigungsvertrags geeignetes Personal in angemessenem Umfang übernehmen. (Dokument Nr. 72)

 

Am 23.08.1990 verfasst das AA-Referat 110 ‚Organisation‘ schließlich einen Entwurf zur „Organisation der Abwicklung des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten, der DDR-Auslandsvertretungen und anderer DDR-Einrichtungen im Ausland im Hinblick auf die deutsche Einheit“, worin es heißt: „Mit dem Zeitpunkt des Beitritts geht die DDR als selbständiges Völkerrechtssubjekt unter. Das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA) und die DDR-Auslandsvertretungen verlieren ihre Funktionen, sie werden spätestens zu diesem Zeitpunkt geschlossen. Die Zuständigkeit für die Wahrnehmung der außen-politischen Vertretung des vereinigten Deutschland geht auf der Grundlage des Einigungs-vertrages und der Zuständigkeiten des Grundgesetzes auf das Auswärtige Amt über.“ (Dokument Nr. 64).

 

 

Anmerkung

 

Die in diesem Band aufgenommenen Dokumente stammen ausschließlich aus Aktenbeständen des Politischen Archivs des Auswärtigen Amtes. Sie verschafffen einen guten exemplarischen Überblick über die behandelte Thematik. Gleichwohl wird hierdurch natürlich nur ein gewisser Ausschnitt abgebildet. Zur Ergänzung siehe Band 31, worin Dokumente des Nachlasses des ehemaligen DDR-Außen­ministers Meckel Eingang fanden.


[1] Von 1955 bis 1969 vertrat z.B. die von der CDU geführte BRD die sog. Hallstein-Doktrin, die besagte, dass die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur DDR durch Drittstaaten als „unfreundlicher Akt“ betrachtet werden müsse. Sie wurde u.a. wegen ihrer Beschränkung der Außenpolitik von der SPD-Regierung Willy Brandts im Zuge seiner Ost-Politik aufgegeben.

[2] In der selben Sitzung des Kabinettsausschusses wurden einige grundlegende Entscheidungen bzgl. der Herstellung der deutschen Einheit proklamiert. U.a. wurden hier die Pläne für die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion mit der DDR durch den Bundeskanzler dargelegt.

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