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Projektbeschreibung

Vom Imperialmuseum zum Kommunikationszentrum? Zur neuen Rolle des Museums als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und nicht-westlichen Gesellschaften

Ein von der VolkswagenStiftung finanziertes Gemeinschaftsprojekt der Staatlichen Museen zu Berlin und der Freien Universität Berlin

von Lidia Guzy, Rainer Hatoum und Susan Kamel

Auf der Jahrestagung 2005 von ICOM, dem International Council of Museums, die unter dem Motto „Museums Bridging Cultures“ stand, forderte Hassan Arero, ein Vertreter von ICOM United Kingdom in Kenya, dass die so genannten nicht-westlichen Museen auch für die indigenen Gesellschaften an Bedeutung gewinnen müssten. Deswegen sei es wichtig, was sie sammeln, wie sie ausstellen und wie sie forschen. Gegenstand unseres Vorhabens sind eben diese Museen nicht-westlicher Gesellschaften und deren Methoden des Sammelns, Forschens und Vermittelns.

Ein Museum wird nach ICOM definiert als

„… a non-profit making, permanent institution in the service of society and of its development, and open to the public, which acquires, conserves, researches, communicates and exhibits, for purposes of study, education and enjoyment, material evidence of people and their environment.“ [ICOM Statutes, article 2, para I]

Dass Museen kulturelle Akteure sind, die durch das Sammeln, Erforschen und Vermitteln von Kunst und Kultur eine jeweilige Gesellschaft und ihre Episteme repräsentieren, ist offenkundig. Umso interessanter ist, das jüngst die in der zitierten ICOM-Definition noch nicht berücksichtigte Frage aktuell geworden ist, ob Museen nicht auch vermehrt immaterielles Kulturerbe, das so genannte Intangible Cultural Heritage, sammeln sollten.

An diesen Punkt und an eng hieran gebundene Problemfelder und Fragestellungen knüpft unser im Folgenden vorgestelltes Forschungsprojekt an, dass von der VolkswagenStiftung finanziert wird. Als Gemeinschaftsprojekt der Staatlichen Museen zu Berlin und der Freien Universität Berlin konzipiert, ist es am Institut für Religionswissenschaften, dem Ethnologischen Museum und dem Institut für Museumsforschung verortet.

Ziel unseres Forschungsvorhabens ist die wissenschaftliche Erforschung der neuen Rolle des Museums als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und nicht-westlichen Gesellschaften. Wir gehen von der These aus, dass sich vor dem Hintergrund der Globalisierung die künstlerischen und kulturellen Äußerungen nicht-westlicher Gesellschaften sowie deren museale Repräsentation grundlegend verändert haben. Zu beobachten sind zahlreiche Phänomene, die sich unter dem Schlagwort der „Retraditionalisierung“ zusammenfassen lassen.

Unser gemeinsames Forschungsanliegen wird von folgenden zentralen Fragen bestimmt:

Erstens – und diese Frage stellt gewissermaßen das Dach unserer Arbeit dar: Wie haben sich Museen nicht-westlicher Kunst und Kultur regional im Zuge der Globalisierung verändert? Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf der Darstellung des Einflusses lokaler Retraditionalisierungsbewegungen.

Zweitens: Wie haben sich die Einflüsse der lokalen Retraditionalisierungsbewegungen auf die drei zentralen musealen Arbeitsbereiche – sammeln, forschen, präsentieren - ausgewirkt?

Drittens: Aus unseren jeweiligen regionalen Beispielen ergeben sich zudem individuelle Fragestellungen, die sich alle auf museale Sammlungen, dem Fundament von Museen und unserer Arbeit beziehen. Hierzu jedoch mehr in den Ausführungen zu den Projektschwerpunkten.

In Bezug auf die zweite Forschungsfrage sei hinzugefügt, dass wir uns aufgrund der Komplexität der Problembereiche und Entwicklungen in den einzelnen musealen Arbeitsfeldern für eine komplementäre Vorgehensweise entschieden haben. So wird sich Lidia Guzy auf den Arbeitsbereich des Sammelns, Rainer Hatoum auf den des Forschens und Susan Kamel auf den des Vermittelns konzentrieren.

Die Auseinandersetzung mit der grundlegenden Frage des Einflusses von Globalisierung in Form von Retraditionalisierungsbewegungen auf Museen mit dem Schwerpunkt nicht-westlicher Kunst und Kultur, wird in unserem Forschungsprojekt durch die Beschäftigung mit drei regionalen Manifestationsformen des Museumswesens näher beleuchtet. So wendet sich Lidia Guzy ausgesuchten Museen in Indien, Rainer Hatoum solchen in den USA und Susan Kamel Museen in Ägypten zu. Die von uns vertretenen regionalen Schwerpunkte ermöglichen in ihrer inhaltlichen Bandbreite eine optimale Grundlage für die Auseinandersetzung mit unserer zentralen These. Um einen Eindruck von unseren Projektschwerpunkten zu vermitteln möchten wir diese im Folgenden knapp vorstellen:

„Zum musealen Wandel in Indien – Schwerpunkt: Sammeln“ von Lidia Guzy

Das Teilprojekt zum musealen Wandel in Indien verfolgt drei Ziele:

Erstens: die Untersuchung der historischen Entwicklung von Museen in Indien;
Zweitens eine Schwerpunktanalyse zur Thematik des Sammelns unter besonderer Berücksichtigung der neuen Forderung der UNESCO und ICOM, auch das Intangible Cultural Heritage – das Immaterielle Kulturerbe - zu sammeln und zu bewahren;
Drittens die Erforschung bisher unbekannter indigener Klangtheorien unberührbarer Musiker im Osten Indiens.

Zum ersten Arbeitsbereich: Für die Untersuchung der historischen Entwicklung der Institution Museum in Indien sollen das Indian State Museum und das Tribal Museum, beide in Bhubaneshwar, der Hauptstadt der östlichen Provinz Orissas, dienen. Dabei ist zu bedenken, dass die Institution „Museum“ in Indien eine koloniale Hinterlassenschaft der Briten darstellt. Dies illustriert beispielhaft die Entstehungsgeschichte des Indian Museum in Culcutta oder der Asiatic Society in Calcutta, die beide 1784 vom britischen Sanskrit-Gelehrten und Orientalisten Sir William Jones gegründet worden sind.

Seitdem entstanden zahlreiche Museen, deren Fokus auf historischen und kunstgeschichtlichen Sammlungen des materiellen Kulturerbes liegt. Bis heute ist die Dokumentation des immateriellen Kulturerbes marginalisierter Gruppen, wie der Unberührbaren in Indien, nicht allgemein thematisiert, da sich die Museen bei der Archivierung meist auf materielle Kultur dominanter Sozialgruppen konzentrieren. Laut der UNESCO – deren Forderungen die im 20. Jh. global auftretenden Retraditionalisierungsbewegungen aufnehmen – sind Musiker und Künstler Wissensträger von Kultur und sollen deshalb als „menschliche kulturelle Schätze“ anerkannt und entsprechend gewürdigt sein. Hieraus ergibt sich nicht nur die Frage, ob in Indien ebenfalls Retraditionalisierungsbewegungen Einfluss auf museale Arbeit ausüben, sondern auch der

zweite zentrale Arbeitsbereich des Teilprojektes: die Untersuchung lokaler Dokumentations- und Archivierungsmethoden unter besonderer Berücksichtigung des Intangible Cultural Heritage – des Immateriellen Kulturerbes.

Eingebettet in eine allgemeine Beschäftigung mit dem Wandel musealer Arbeit, soll die Arbeit an den erwähnten Museen eine Bestandsaufnahme von Sammlungen immaterieller Kultur beinhalten. Dabei sind insbesondere die vielfältigen Musiktraditionen des dörflichen Ostindiens interessant, also die „Musik“ sozial marginalisierter Gruppen. In diesem Zusammenhang sollen Musikarchive erstellt werden, eines der Felder musikethnologischer und museologischer Forschung und Forderung. Im Prozess der Verbreitung von Klangarchiven ist die UNESCO als Weltorganisation richtungsweisend. Umso interessanter ist im Zusammenhang mit der Erforschung der Globalisierung auf die Institution Museum die Tatsache, dass in Indien 1994 die Archives Resource Community entstanden ist. In der folgenden Untersuchung wird diese Institution besondere Berücksichtigung finden. Bei der Schwerpunktanalyse zum Sammeln sollen zudem indigene und interkulturelle Dokumentationen und Musikarchive erstellt werden. Dies beinhaltet etwa die Integration lokaler Bühnenkunst als eine indigene Archivierungstechnik. Die auf diese Weise interkulturell entwickelten audio-visuellen Archive sollen so zur Grundlage eines neuen Museumsprojektes und zur Basis eines globalen Wissenstransfers werden, der lokal vermittelt wird.

An der Beschäftigung mit dem bisher als nicht sammlungswürdig erachteten immateriellen Kulturerbe marginalisierter Bevölkerungsgruppen knüpft der dritter Forschungsschwerpunkt an: nämlich die Ergründung der bislang noch nicht erforschten indigenen Klangtheorien unberührbarer Musiker. Als Klangtheorien werden lokale Ideen zum Klanglichen bezeichnet. Durch den Klang und die kulturspezifischen Konzepte zum Klang werden lokale Theologien sowie Werte, Ideen, und Wissenssysteme deutlich, die für eine Gesellschaft und ihre Kultur bestimmend sind.

„Zum musealen Wandel in Nordamerika – Schwerpunkt: Forschen” von Rainer Hatoum

“[…] we insist that the ‘authentic Native voice and perspective’ guides all our policies, including our exhibition philosophy” [Richard W. West, The Changing Presentation of the American Indian, National Museum of the American Indian, Smithsonian Institution, Washington 2000, S. 7.]

Mit diesen Worten umreißt Richard West - Direktor des National Museum of the American Indian in Washington D.C. – nicht nur die Politik seines Hauses, sondern drückt damit auch den Paradigmenwechsel in Museen mit dem Schwerpunkt nichtwestlicher Kunst und Kultur aus, der Gegenstand unseres Tandem-Projekts ist. Diesem auf unterschiedliche Prozesse und Facetten der Globalisierung zurückzuführenden Wandel wird in der Zielsetzung dieses Teilprojekts wie folgt Rechnung getragen:

Erstens wird sich im Rahmen der Behandlung regionaler Faktoren musealen Wandels mit den Einflüssen der ethnisch/religiös begründeten indianischen Retraditionalisierungsbewegung in Nordamerika auseinandergesetzt. Wie zahlreiche ähnlich geartete Bewegungen auch, ist diese u.a. als eine Anti-Globalisierungsbewegung zu interpretieren.

Zweitens werden im Zusammenhang mit dem musealen Arbeitsschwerpunkt der „Forschung“ vor allem die neuen juristischen Realitäten thematisiert, mit denen sich Wissenschaftler zunehmend bei der Erforschung musealer Bestände auseinandersetzen müssen.

Drittens soll unter Verwendung des Konzepts der „Wissenskultur“ ein theoretischer, ethnologischer Beitrag zum interdisziplinären Diskurs um Globalisierung geleistet werden. In den Bereichen der Kognitions- und Konfliktforschung schwerpunktmäßig angesiedelt, wird sich dabei weniger „offenen Konflikten“ zugewandt, sondern vielmehr solchen spannungsgeladenen und Wandel generierenden Prozessen, die sich aus der Interaktion von Vertretern konkurrierender Wissenskulturen ergeben.

Im Folgenden soll die inhaltliche und methodische Herangehensweise näher erörtert werden. Hinsichtlich der ersten Zielsetzung sollte ergänzt werden, dass der unter dem Eindruck der Retraditionalisierungsbewegung einsetzende museale Wandel anhand der Entstehungsgeschichte des National Museum of the American Indian und anhand des Navajo Nation Museum and Visitor’s Center in Window Rock, Arizona, erörtert werden soll. Während das National Museum innerhalb der durch und durch „westlich“ geprägten Smithsonian Institution als ein bewusst „indigen“ konzipiertes Museum in einmaliger Weise die Bandbreite der Problematik widerspiegelt, steht das Navajo Nation Museum stellvertretend für einen markanten Teilaspekt der Entwicklungen, nämlich für das relativ junge Phänomen „indigener“ bzw. „tribaler“ Museen. Somit wird sich auf verschiedener Weise der für unser Projekt grundlegenden Frage angenommen, was im allgemeinen Diskurs den „nicht-westlichen“ oder „indigenen“ Charakter eines Museums ausmacht.

Die zweite Zielsetzung zum Schwerpunkt „Forschung“ soll anhand des Beispiels der Sammlung „Herzog/Navaho“ verfolgt werden, einer Sammlung von knapp 600 Wax-Zylinder-Aufnahmen zeremonieller Gesänge der Navajo, die zwischen 1931 und 1932 zusammengetragen wurden. Als Teil des Berliner Phonogramm-Archivs wurde die Sammlung 1999 von der UNESCO als Memory of the World, also als Weltdokumentenerbe anerkannt. Sie gehört zu einer der Sammlungen des Archivs, die es noch zu dokumentieren, erforschen und zu veröffentlichen gilt. In diesem Zusammenhang ergeben sich jedoch eine Reihe juristischer Probleme, die auch auf die Bandbreite der involvierten, sich mitunter ausschließenden rechtlichen Komplexe, zurückzuführen sind. Sie reichen von „traditionellen“ Besitzrechten an den spezifischen Liedern, die auf den Walzen festgehaltenen sind, über kollektive Cultural Property-Ansprüche der modernen Navajo Tribal Nation, bis hin zu national und international verankerten Intellectual Property-Gesetzen. Das Aufzeigen der nicht zu unterschätzenden emotionalen Dimension dieser Problematik ist ein Anliegen dieses Teilprojekts.

Die dritte, individuelle Forschungsfrage zur Thematik „konkurrierender Wissenskulturen“ soll auf der Grundlage der konkreten Inhalte der Sammlung „Herzog/Navaho“ behandelt werden. Vor dem Hintergrund, dass die festgehaltenen Lieder zu Zeremonialkomplexen gehören, die teilweise bereits ausgestorben sind, soll die Frage verfolgt werden, welche Überlebensfähigkeit unflexible Wissenskulturen im heutigen globalen Wettbewerb mit alternativen dynamischen Wissenskulturen haben. Hierbei geht es keineswegs um eine einfache Gegenüberstellung „traditionell indianischer“ und „nicht-indianischer“ Kultur. Vielmehr bietet das Beispiel der heutigen Navajo selbst, das von der wechselvollen Koexistenz „traditioneller“, „intertribaler“ und „nicht-indianischer“ kultureller Erlebnisfelder geprägt ist, ein ideales Forschungsfeld für die Auseinandersetzung mit genannter Fragestellung. In diesem Zusammenhang werden auch die Methoden der Wissensvermittlung und die Problematik der konkreten Interpretation des vermittelten Wissens bei den Navajo zu untersuchen sein. Umso interessanter ist, dass die Aufnahmen das Expertenwissen des wohl bedeutendsten Zeremonialspezialisten der Navajo des 20. Jhs., Hosteen Tlah, festhalten. Da dieser ohne einen Nachfolger auszubilden verstarb, stellen die Aufnahmen auch ein inhaltlich wie ideell einzigartiges kulturelles Dokument dar. Neben der Dokumentation und Erforschung

der Sammlung selbst wird daher auch die Analyse des geplanten Prozesses der virtuellen Repatriierung des Wissens Hosteen Tlahs von großem Interesse sein.

„Zum musealen Wandel in Ägypten - Schwerpunkt: Vermitteln“ von Susan Kamel

Zwischen 1858 und 1908 spielten Europäer die Schlüsselrolle in der Gründung von vier Museen in Kairo. Zu diesen gehörte auch das Museum für Arabische Kunst, das seit 1952 Museum für Islamische Kunst heißt. Dieses Museum ist neben dem Ethnologischen Museum und dem Folklore Museum Gegenstand der Auseinandersetzung mit der ersten Forschungsfrage. Das Projekt untersucht am Beispiel der Museumslandschaft Ägyptens die Auswirkungen der so genannten Globalisierung auf die Museumsarbeit. Das heutige Museum für Islamische Kunst z.B. begründet seine Ausstellung mit dem unschätzbaren Wert der islamischen Zivilisation für die ägyptische Nation und leistet dadurch – so die These - auf kultureller Ebene Islamisierungstrends Vorschub. Um den Wandel der ausgewählten Kairener Museen zu rekonstruieren, müssen nach quellenkritischen Methoden Archivstudien durchgeführt, die Ausstellungskataloge studiert, Fotos der Ausstellungen analysiert und Interviews mit Kuratoren geführt werden. Diese Vorgehensweise haben alle drei vorgestellten Projekte bezüglich der ersten gemeinsamen Fragestellung gemein.

Den Ausgangspunkt dieser Schwerpunktanalyse bildet die Beobachtung, dass Museen sich auch in Ländern mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit von „Schatzkammern der Nation“ zu Kommunikationsorten entwickeln können, in denen Werte und Wissen diskursiv verhandelt werden. Um den Wandel musealer Arbeiten in Ägypten bezüglich des Vermittelns zu erforschen, wird sich einer klassischen dreigliedrigen kommunikationswissenschaftlichen Methodik bedient: Hierbei sind die Vermittlungsintention, Vermittlungsstrategie und der Vermittlungserfolg zu ermitteln.

Schließlich soll unter besonderer Berücksichtigung der Forschungsergebnisse in einem Land mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit die museale Konstruktion einer islamischen Kunst und Kultur beleuchtet werden. Der bislang von westlichen Wissenschaftlern dominierte Diskurs um eine Hierarchisierung von Kunst und Kultur wird somit Gegenstand der dritten individuellen Forschungsfrage sein. Hierbei ist zu betonen, dass das Konzept der „Islamischen Kunst“ auch in der westlichen islamischen Kunstwissenschaft noch nicht lange Gegenstand kulturwissenschaftlicher und postkolonialer Studien ist, die über die reine Stilgeschichtsschreibung der klassischen Kunstwissenschaft hinausreichen. Neuere Arbeiten setzen sich vor allem mit dem so genannten neuen Orientalismus und kritischen Okzidentalismus auseinander.

Schlussbemerkungen

Die Besonderheit unseres Forschungsvorhabens besteht im überregionalen Vergleich und der thematischen Komplementarität unserer Vorgehensweise, die in unseren akademischen Hintergründen und disziplinären Ausrichtungen wurzelt. Dabei profitiert unser Anliegen, den musealen Wandel im Zeichen der Globalisierung zu erforschen, von unserer jeweiligen regionalen Spezialisierung. So nimmt beispielsweise die indianische Retraditionalisierungsbewegung als Protestbewegung eine Zwischenstellung ein zwischen einer überregionalen islamistischen Bewegungen einerseits und den neuen Traditionalismen indigener Völker im relativ jungen Nationalstaat Indien andererseits. Demzufolge ist zu erwarten, dass die Funktion der Institution Museum und der Einfluss der Bewegungen unterschiedlich ausfallen. Zudem ist ein Vergleich der Verhältnisse in Nordamerika und Indien auch deshalb sehr lohnenswert, da es in diesen Ländern sowohl staatliche als auch tribale Museen gibt. Selbst wenn es keine explizit „tribalen“ Museen in Ägypten gibt, so bietet sich ein Vergleich in diesem Land mit den nordamerikanischen Verhältnissen insbesondere auf der Ebene der nationalstaatlichen Museen an, nicht zuletzt auch deshalb, weil in beiden Fällen der museale Wandel seinen Ausdruck über das Konzept der „Kunst“ findet.

Die angestrebten Ergebnisse sollen folgende akademische Spezialisierungen bündeln: die Museumskunde beim Schwerpunkt Präsentation, die Rechtsethnologie beim Schwerpunkt Forschen und die „Kommunikationswissenschaft“ beim Schwerpunkt Sammeln. Dass die zu gewinnenden Einzelergebnisse auch für die Forschung der jeweils übrigen Tandem-Partner von großer Bedeutung sind, dürfte beispielsweise die Tatsache verdeutlichen, dass die zu behandelnden rechtlichen Fragen keineswegs nur im Bereich der Forschung wichtig sind, sondern sowohl den Bereich der Präsentation als auch der Sammlung und Archivierung von Objekten betreffen.

Ähnlich gegenseitig befruchtend verhält es sich auch bezüglich der dritten, so genannten individuellen Fragestellungen, die an Diskurse in der Kunstwissenschaft, der Kognitiven Anthropologie und der Musikethnologie anknüpfen. So wird beispielsweise die Behandlung der Konstruktion und inhaltliche Belegung des „Kunstbegriffs“ keineswegs nur bei der Behandlung des modernen „islamischen Kunstkonzepts“ von Bedeutung sein. Zeitgleich sind vergleichbare Prozesse zu beobachten, die auf die Etablierung einer „indischen Kunst“ und in jüngerer Zeit „indianischen Kunst“ abzielen. Ob das Auftreten dieser Phänomene reiner Zufall ist oder auf zusammenhängende Prozesse zurückgeführt werden kann, wird dabei Teil unseres Forschungsinteresses sein.

Mit unserem Tandemprojekt leisten wir einen Beitrag zum gezielten Dialog westlicher und nicht-westlicher Museumsforschung.

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