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Geschichte des Instituts

Studenten der Ur- und Frühgeschichte an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin im Wintersemester 1927/28.
v.l.n.r.: Kurt Bittel, Berlin - Emil Vogt, Zürich - Walter Kersten, Berlin - Kurt Langenheim, Danzig - Herbert Jankuhn, Göttingen - Nebenfächler - Otto Ünze, Marburg - Fritz Glombowski, Danzig

 

Prähistorische Archäologie im frühen 20. Jh. an der Friedrich-Wilhelms-Universität

Die Anfänge

Prähistorische Archäologie, im deutschen Sprauchraum auch Vorgeschichte oder Ur- und Frühgeschichte genannt, wurde an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität seit 1902 mit der Errichtung einer außerordentlichen, von Gustaf Kossinna (1858-1931) langjährig bekleideten, Professur regelmäßig gelehrt. Kossinna, ausgebildet als Germanist, praktizierte eine stark völkisch orientierte Wissenschaft. Trotz des heute offensichtlichen rassistischen Untertons beeinflusste er seinerzeit die internationale Archäologie, so auch Forscher wie Vere G. Childe. Heute sind Kosinnas reaktionäre Thesen Paradebeispiel der Indoktrination einer Geisteswissenschaft.

Forschungsschwerpunkt Südosteuropa

Einen ganz anderen Charakter erhielt das Fach durch Max Ebert (1879-1929), der eine tiefere Einbindung in einen internationalen Forschungsverbund betrieb. Geographisch legte er den Schwerpunkt der Institutsarbeit auf den ost- und südosteuropäischen Raum und seine Interaktion mit der mediterranen Welt (einschließlich des Schwarzen Meeres). Mit dem bereits 1924 von ihm initiierten und bis zu seinem Tode von ihm herausgegebenen "Reallexikon der Vorgeschichte", einer monumentalen Sammlung enzyklopädischer Beiträge internationaler Forscher, erschuf er ein Standardwerk für die kommenden Jahrzehnte. Seit 2019 ehrt das Institut für Prähistorische Archäologie Max Ebert mit einer jährlichen stattfindenden Max-Ebert-Vorlesung.

Archäologie unter dem Hakenkreuz

Nach einer längeren Vakanz wurde 1934 Hans Reinerth (1900-1990) u.a. auf Betreiben des 'Amts Rosenberg' als Nachfolger Eberts berufen. Reinerths Aktivitäten, etwa die Beteiligung am Kulturgüterraub 1942 in der Ukraine, gehören zu den Tiefpunkten deutscher Geisteswissenschaft und machen ihn zu einem der am schwersten belasteten deutschen Prähistoriker. Symptomatisch für den Umgang mit nationalsozialistischer Archäologie in der frühen Bundesrepublik ist die Stilisierung Reinerths als "Alleinschuldigen" durch seine teils ebenso schuldbeladenen Kollegen, gegen die er zuvor in fachinternen Machtkämpfen im Dritten Reich intrigiert hatte.

Verweise zu Online-Publikationen zum Thema:

Zur Ur- und Frühgeschichte an der Friedrich Wilhelms-Universität 1933-1945
(Vortrag von Prof. Dr. Achim Leube und PD Dr. Willi Oberkrome an der Humboldt-Universität am 04.02.2004)

Gunter Schöbel, Hans Reinerth 1900-1990. Karriere und Irrwege eines Siebenbürger Sachsen in der Wissenschaft während der Weimarer Zeit und des Totalitarismus in Mittel- und Osteuropa. Acta Siculica 2008, 145–188.

Vom Kalten Krieg bis zur Gegenwart

Die beiden Institute

Von 1945 bis in die 1950er existierte zunächst keine akademische Institution für prähistorische Archäologie im nunmehr geteilten Berlin. Nachdem 1956 an der Humboldt-Universität im Ostteil der Stadt das Fach unter politischen Vorzeichen neubegründet worden war, wurde 1959 mit der Berufung von Horst Kirchner (1913-1990) an der Freien Universität ein Institut für Ur- und Frühgeschichte ins Leben gerufen. In den Jahren zuvor hatte dort der aus der Museumspraxis kommende Otto-Friedrich Gandert (1898-1983) bereits Fachvorlesungen gehalten. Für die nächsten 50 Jahre bestanden damit in der bis 1989 geteilten Stadt auch zwei Universitätsinstitute für prähistorische Archäologie.

Das Institut für Prähistorische Archäologie

Im Zuge der Veränderungen seit Ende der sechziger Jahre wurde aus dem Institut an der Freien Universität zunächst das „Seminar für Ur- und Frühgeschichte“ als Bestandteil der Wissenschaftlichen Einrichtung „Archäologie“. Im Jahr 2000 wurde seine Bezeichnung in Angleichung an die internationale Begrifflichkeit in „Institut für Prähistorische Archäologie“ geändert. Es ist auch heute noch eines der wenigen universitären Institute für ur- bzw. vor- und frühgeschichtliche Archäologie in Deutschland, das den internationalen Fachnamen nutzt. Nachdem 2011 der älteste deutsche Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichte an der Humboldt-Universität aufgelöst wurde, repräsentiert allein das Institut für Prähistorische Archäologie an der Freien Universität die insgesamt über 110-jährige Berliner akademische Tradition.

Insbesondere durch die Aktivitäten von Bernhard Hänsel (1937-2017), Professor von 1982 bis 2006, und Biba Terzan, Professorin von 1989 bis 2005, knüpfte das Institut etwa mit Forschungen in Kastanas (GR), Feudvar (RS)  und Monkodonja (HR) an die von Max Ebert in den 1920ern geschaffene Tradition der Lehr- und Forschungstätigkeit mit Schwerpunkt auf Südost- und Osteuropa an. Es ist dadurch auf besondere Weise in der internationalen Wissenschaftslandschaft vernetzt und gehört heute, 60 Jahre nach seiner Gründung, zu den führenden deutschen Universitätsinstituten für die prähistorische Archäologie Südost- und Osteuropas.

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