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DFG- Projekt "Auswertung und Publikationsvorbereitung der archäologischen Bauuntersuchungen der formativzeitlichen Anlage von Sechin Bajo, Casma (Peru)"

Archäologische Bauuntersuchung der spätarchaisch bis formativzeitlichen Anlage von Sechin Bajo, Casma, Peru

 

Projektleiter: Dr. Peter Fuchs

Co- Projektleiter: Prof. Dr. Wolfram Schier

Mitarbeiter: Dr. Renate Patzschke und Ulla Jaekel, M.A.

 

Eine druckfreundliche Projektbeschreibung finden Sie hier.

 

Der Fundplatz von Sechin Bajo liegt in der Taloase des Rio Casma, an der peruanischen Nordküste, ca. 380 km nördlich von Lima (Abb.1). Das Casma-Tal zeichnet sich, im Vergleich zu benachbarten Tälern, durch die große Anzahl monumentaler Anlagen aus, die im 3. und 2. vorchristlichen Jahrtausend entstehen, infolge eines grundlegenden Wechsels von einer Subsistenzwirtschaft mit intensiver Nutzung der Meeresressourcen und strandnaher Fauna und Flora hin zu einer intensiven landwirtschaftlichen Nutzung der landeinwärts gelegenen Talaue mit künstlicher Bewässerung.

 

Abb. 1: Karte- Peru, Casma- Tal

 

Der Fundplatz von Sechin Bajo wird seit dem Jahre 2000 in bislang fünf Grabungskampagnen von jeweils sechs Monaten untersucht, im Wesentlichen mit Finanzierung der DFG, Patzschke/ArchäoKontrakt, DSZ Altamerika, Henkel-Stiftung.

 

Die Untersuchungen ergaben eine über zweitausendjährige Sequenz monumentaler Architektur, einer Abfolge von mindestens drei Gebäuden mit ihren internen Bauphasen, die bereits weit im 4. vorchristlichen Jahrtausend ihren Anfang nimmt (Abb.2, Abb.3). Die späteren Bauten wurden jeweils über den früheren errichtet, die dafür sorgfältig verfüllt und gesichert wurden. Dieses Vorgehen bezeugt eine ausgeprägte Ortsgebundenheit der Erbauer. Die im Zentralen Andenraum an späteren Fundplätzen belegte Sitte des “Temple Entombments“ nahm hier offensichtlich ihren Anfang. Mit den bislang 37 C-14-Daten aus Baukontexten lässt sich die Bau- und Nutzungszeit in Sechin Bajo zwischen ca. 3.700 und ca. 1.300 vor Chr. eingrenzen.

 

 

Abb.2: Rekonstruktion Bau 2                                    Abb.3: Rekonstruktion mit Bau 1, 2 und 3

 

Bau 1

Der erste Bau (teilweise von den späteren Bauten überformt) besteht aus einer rechteckigen Plattform aus Stein und Lehm von ca. 20 x 50 m Seitenlänge, an die später ein runder eingetiefter Platz von ca. 12 m Durchmesser angebaut wird. Die Plattform wird später mindestens 5 Mal erweitert und jeweils mit einer vertieften Platzanlage versehen, davon einer einen rechteckigen Grundriss aufweist (Abb.4).

 

Abb. 4: Sechin Bajo, Bau 1

 

Die 10 zur Verfügung stehenden C-14-Daten belegen eine Bau- und Nutzungszeit für die gesamte zweite Hälfte des 4. Vorchristlichen Jahrtausends. Somit zählt der Bau 1 von Sechin Bajo zu den ältesten seiner Art im Zentralen Andenraum.

 

Bau 2

In der Folgezeit wird der nördliche Teil der Plattform von Bau 1 mit einem Gebäude von ca. 35 m auf 39 m Seitenlänge und ca. 8 m Höhe überbaut. Die Außenmauern sind aus in Lehmmörtel gesetzten Bruchsteinen errichtet und mit einem Lehmputz überzogen. Die Gebäudeecken sind abgerundet. Der Bau ist Nord-Süd ausgerichtet und wird auf der Südseite durch eine ca. 3 m breite Treppenanlage erschlossen, die allerdings nur noch in den seitlichen Treppenwangen zu erkennen ist, da sie

 

intentional bei Nutzungsende zerstört wurde. Bei der Freilegung des zerstörten Aufgangs kamen die Reste der älteren Bebauung auf der Plattform zu Tage, die nur so weit abgebrochen worden waren, wie es die Überbauung erforderte.

 

Bau 2 weist in seiner ersten Phase eine regelmäßige Binnenstruktur von 9 Räumen auf, die in drei Reihen von jeweils drei Räumen angeordnet sind. Die Mauern sind unterschiedlich hoch erhalten. Im Zentrum weisen die Mauern eine Höhe von über 2 m auf, zu den Rändern hin sind die Mauern unterschiedlich stark verstürzt. In einer späteren Modifikation wurde in dem zentralen Raum eine Nischenwand mit abgerundeten Ecken und mit 18 Nischen oberhalb eines kleinen Mauervorsprungs eingezogen. Die Wände aller Räume sind mit einem mehrlagigen Putz von hoher Qualität überzogen und mit dünner Lehmtünche übermalt. Der zentrale Nischenraum ist weiß gefasst und im Verhältnis zu den anderen Räumen um ca. 0,70 m abgetieft. Die Fußböden sind mit einem kompakten Lehmestrich versehen. Alle Räume sind untereinander mit Durchgängen verbunden. An den Seitenwänden dieser Durchgänge sind Halbsäulen und Pilaster zu beobachten, die aus einem mit Schnüren umwickelten Holzkern bestehen, der mit Lehm ummantelt ist. Einige der Durchgänge weisen neben den Säulenresten rechteckige Eintiefungen auf, die bis zu 2 m in das Mauerwerk hinein reichen können. Sie könnten Teil einer Schließanlage sein und werden mit den Halbsäulen zusammen als Zugangsbeschränkungen interpretiert. Alle Räume waren frei von Funden, nur von dem Versturzmaterial der Wände bedeckt. Es fanden sich keine Hinweise auf eine spätere Überprägung der Anlage, einzig ein schmaler Mauerzug aus späterer Zeit quert den gesamten Bau in Nord-Süd-Richtung.

 

Die Zeitstellung der Errichtung von Bau 2 ist noch ungeklärt. Eindeutig datiert werden können bisher nur die Umbauten der zweiten Bauphase, die neben dem Einbau der Nischenwand im Zentralraum auch die mehrmalige Erneuerung der Putze und der Installationen der Zugangsbeschränkungen der anderen Räume einschloss. Da zu Datierungszwecken nur Material aus unmittelbaren Bauzusammenhängen herangezogen wurde, konnte jeweils „nur“ die letzte Renovierungsphase datiert werden, die wiederum identisch ist mit der letzten Erneuerungsphase des benachbarten Bau 3. Diese letzte Renovierungsphase datiert in das 16. und 17. Jahrhundert v. Chr.

 

Beim Auflassen der Anlage oder kurz danach wurden an der Südwest-Fassade von Bau 2 130 Graffiti eingeritzt (Patzschke 2009). Zu Füßen dieser Wand wurden einige nur sporadisch genutzte Feuerstellen freigelegt, die zerscherbte Gefäße enthielten. Dieser Befund gleicht dem Auffinden der ersten Keramik im benachbarten Cerro Sechin. Beide Fundorte bezeugen das erste Auftreten der Keramik in dieser Region, die als Laguna-Komplex beschrieben wurde (Fuchs 1990, 1997).

 

Bau 3

Bau 3 ist die größte der Anlagen mit einem Grundriss von ca. 145 m auf 125 m. Er erhebt sich ca.15 m aus einem umlaufenden Sockel von ca. 2 m Höhe und ca. 3.50 m Breite. Die abgerundet ausgebildeten Gebäudeecken sind nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet. Entlang einer zentralen Achse sind vier Höfe hintereinander ansteigend angelegt, je zwei auf einem Niveau, jeweils durch unterschiedliche Treppenzugänge miteinander verbunden. Die Wände von Hof 2 und Hof 4 weisen eine Nischengliederung von unterschiedlicher Anzahl und Größe auf. Diese Nischenwände sind spätere Einbauten, ebenso wie die Nischenwand im Zentralraum von Bau 2. Vorher bestanden in der Anlage nur zwei rechteckige Höfe mit einer Länge von jeweils ca. 70 m. Beide Höfe trennt ein Höhenunterschied von über 6 m. Nordwestlich vor dem ersten Hof erstreckt sich eine große Platzanlage, die seitlich von flachen Sockelbauten eingefasst wird und wohl Platz für große Menschenansammlungen bot, heute jedoch weitgehend landwirtschaftlich genutzt wird und einer allmählichen Zerstörung an heim fällt. Aus dem vorgelagerten Platz führte eine breite Treppe ca. 3 m höher auf den ersten Hof. Die Treppe ist weitgehend zerstört, wohl intentional beim Auflassen der Anlage nach Ende der Nutzung. Darunter kam ein ca. 10 m breiter Zugang mit drei Stufen zu Tage, der in den Hof eines ca. 3 m tiefer gelegenen Vorgängerbaus führte. Dieser Hof war sorgfältig mit homogenem Kies verfüllt worden. Den Abschluss der Füllung bildeten eine Steinschüttung und eine kompakte Lehmschicht, die wiederum als Fußbodenestrich der nachfolgenden Aufstockung diente. Diese Aufstockung hatte eine Höhe von mindestens 6 m. In diesem Zusammenhang wurden der aufgestockte Bau 3 und der Bau 2 mit der erwähnten Sockelkonstruktion umfangen. Diese Ummauerung hatte wohl in erster Linie eine statische Bedeutung, da alle Bauwerksmauern in Sechin Bajo keine besondere Gründung aufweisen und der Druck der neu aufgetürmten Baumassen die Standfestigkeit der Konstruktion gefährdet haben würde. Die beiden langrechteckigen Höfe der späteren Überbauung waren ursprünglich mit einer offenen einsehbaren Treppe miteinander verbunden. Der folgende Einbau der Nischenwände veränderte die Binnenstruktur der Anlage. Die vorher einsehbare und damit zu kontrollierende Treppe wurde durch eine doppelläufige Treppenanlage mit gemeinsamem Antritt ersetzt. Abknickende Treppenaufgänge an den Längsseiten der neugeschaffenen Höfe 2 und 4 hinauf zu einer heute weitgehend zerstörten Bebauung unterstreichen eine neue Orientierung innerhalb der Baukonzeption hin zu einer verstärkten räumlichen Trennung. Die bereits in Bau 2 registrierten Schließanlagen oder Zugangsbeschränkungen sind auch am Bau 3 zu finden.

 

An den Längsseiten von Hof 1 werden großflächige Lehmreliefs angebracht, dem Befund nach in zwei Paneelen übereinander. Unklar ist, ob der Reliefdekor ursprünglich auch den zweiten Hof schmückte, da die später eingesetzte Nischenwand unmittelbar vor der eigentlichen Hofmauer errichtet wurde.

 

Das Lehmrelief

Das Lehmrelief wurde auf einer Fläche von ca. 10 m2 freigelegt. Es zeigt einen Fries von drei Personen in Frontaldarstellung mit ausgebreiteten, leicht angewinkelten Armen (Abb.5). Bis unter die Achseln sind sie mit einem Rock oder einer Tunika bekleidet, darunter schauen seitlich ausgestellte menschliche Füße hervor. In der rechten Hand halten die Gestalten jeweils einen länglichen Gegenstand, etwa ein Messer, eine Keule oder ein Zepter. In der linken Hand halten sie an zwei länglichen Zipfeln rundliche Objekte, aus denen sich Schlangenköpfe herauswinden, ein Motiv, das an einem Steinbecher von der Nordküste in der Sammlung von Dumbarton Oaks abgebildet ist. Die rundlichen Objekte könnten so als Mollusken (Spondylus) interpretiert werden. Die Hände weisen jeweils nur vier Finger auf, mit betonter Überzeichnung der Fingernägel. Die Köpfe der Gestalten sind unterschiedlich dargestellt. Sie sitzen ansatzlos auf den Schultern, nur getrennt durch eine Art Kragen oder ein schmales Pektoral. Darüber ist ein nahezu quadratisches Gesichtsfeld mit der Mundpartie zu erkennen, mit geschlossenen Lippen und heruntergezogenen Mundwinkeln. Die weitere Ausgestaltung der Kopfpartie ist variabel und nur bei der zentralen Figur klarer zu erkennen. Die Augen sind durch zwei Motive dargestellt, wovon eines ein dreizipfliges Element ist. Das Gesicht wird auf drei Seiten perückenartig umrahmt, auf der Oberseite streben drei spitz zulaufende Zipfel nach oben, in der Art der Darstellung der Haare der Trophäenköpfe von Cerro Sechin. Über dem Rücken hängen streifenartige Elemente herab.

 

Abb.5: Sechin Bajo, Lehmrelief

 

Soweit erkennbar handelt es sich bei dem freigelegten Friesausschnitt um menschliche Gestalten, ohne Kennzeichen von Mischwesen der „klassischen“ Chavin-Ikonographie. Vielmehr können die Gestalten als „Adoranten“ interpretiert werden, die ein Ritual begleiten, das möglicherweise in dem ersten Hof abgehalten wurde.

 

Kampagne 2013/14

Während dieser abschließenden Kampagne werden Architekturbefunde und die Funde der bisherigen Grabungskampagnen ausgewertet und für eine Abschlusspublikation vorbereitet.

 

Literatur

Fuchs, P., R. Patzschke, C. Schmitz y G. Yenque 2006

Im Tal der Kultanlagen, Archäologie in Deutschland, 3, 12-16, Stuttgart.

 

Patzschke, R. 2009

Die Graffiti der Formativzeitlichen Anlage von Sechín Bajo und ihre zeitliche Einordnung, tesis de doctorado, Fachbereich Altertumswissenschaften, Freie Universität Berlin, FU DISS, Berlin.

 

Fuchs, P., G. Yenque, R. Patzschke y J. Briceño 2010

Del Arcaico Tardío al Formativo Temprano: Las Anvestigaciones en Sechín Bajo,Valle de Casma Boletín de Arqueología PUCP 13 (2009), 55-86, Pontificia Universidad Católica del Perú, Lima.

 

Fuchs, P., Patzschke, R. 2011

Frühe Monumentalität im Zentralen Andenraum: Ursprünge der Großarchitektur im Casma-Tal, Ausstellungskatalog, Museum Rietberg,

 

 

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