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Rhee Syngman und Koreas "Erste Republik"

Es ist nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund eben dieses persönlichen Prestiges, das es Rhee Syngman 1948 gelang, als Sieger aus den ersten freien und geheimen Wahlen in Südkorea hervorzugehen. Der Ausgang dieser Wahlen, deren Wahlbeteiligung trotz eines Boykottes der Gemäßigten, Linken und Kommunisten bei 72% lag, spiegelte die Zersplitterung des damaligen politischen Lagers wider, denn letztlich gelang es keiner Partei, die absolute Mehrheit zu erringen. Insgesamt hatte die aus den Wahlen hervorgehende Nationalversammlung 200 Sitze zu vergeben, wobei 100 Sitze für die Abgeordneten aus dem Norden freigehalten wurden. Von diesen 200 Sitzen (faktisch gewählt 198) gingen 54 an die Partei von Rhee Syngman (Nationale Gesellschaft zur Förderung der Koreanischen Unabhängigkeit), die zweitstärkste Kraft errang gerade einmal 29 Sitze. Nicht weniger als 83 Sitze gingen an unabhängige Kandidaten, was direkt auf die Zersplitterung der koreanischen Politik zu dieser Zeit hinweist. Auf der 1. Sitzung der Nationalversammlung am 31.5.1948 wurde Rhee Syngman zum Vorsitzenden gewählt, am 12. Juni 1948 wurde die erste angenommen und am 20.6.1948 wurde Rhee schließlich zum ersten Präsidenten Südkoreas gewählt.


Schwächung Rhees nach den Wahlen von 1950

Doch bereits bei den Parlamentswahlen im Mai 1950 musste die Partei Rhee Syngmans erste Verluste hinnehmen. Die Mandate der direkten Unterstützer Rhees verharrten auf 49, während die direkten Gegner Rhees auf 34 Mandate kamen. Dazu kamen die Mandate von ca. 130 Parteilosen. Die politische Zukunft von Rhee Syngman schien einen Monat vor Ausbruch des Koreakrieges ungewisser denn je. Auch wenn der wenig später ausbrechende Koreakrieg diese Problemlagen mit einem Schlag zu überdecken schien, so ging die Popularität Rhees auch und gerade aufgrund der durch den Koreakrieg ansteigenden sozialen und wirtschaftlichen Probleme merklich zurück.

Die Frage war nun, wie Rhee auf seine sinkende Popularität reagieren würde? Konfrontiert mit zunehmendem Widerstand ging Rhee Syngman dazu über, diesen Widerstand aktiv zu brechen. Einerseits ergriff er konkrete Initiativen, um die Beschränkungen des politischen Systems durch die Veränderung der demokratischen Verfassung zu umgehen und damit seine eigene Machtposition auch im Rahmen des existierenden formal-demokratischen politischen Systems abzusichern. Einhergehend mit der Aufhebung von Verfassungsbeschränkungen und der Sicherung seiner persönlichen Machtposition ging Rhee jedoch auch zu direkten Initiativen zur Ausschaltung seiner parlamentarischen und außerparlamentarischen Gegner über. So begannen Rhee Syngmans politische Charakteristika und die Art und Weise seiner Amtsausführung zunehmend mit der Verfassung und dem politischen System sowie mit der parlamentarischen und außerparlamentarischen Opposition zu kollidieren. Vor diesem Hintergrund zeichnete sich die Erste Republik in Südkorea denn auch primär durch die Bemühungen von Rhee Syngman einerseits aus, dieses politische System zu seinen Gunsten schrittweise zu verändern bzw. komplett zu umgehen, und andererseits durch die Bemühungen von oppositionellen Kräften, diese Veränderungen zu unterbinden bzw. gegen diese Art der Politik zu kämpfen.


Initiativen zur Machtabsicherung innerhalb des politischen Systems und zur Ausschaltung der parlamentarischen und außerparlamentarischen Opposition

Rhee Syngman unternahm verschiedenste Initiativen, um seine eigene Macht innerhalb des politischen Systems der ersten Republik nachhaltig abzusichern und gleichzeitig seinen eigenen politischen Handlungsspielraum stetig auszuweiten. Eine zentrale Maßnahme in diesem Zusammenhang stellte etwa die illegale Durchsetzung einer Verfassungsänderung 1952 nach einem äußerst zweifelhaften Wahlsieg 1954 dar, durch welche etwa die Wiederwahlbeschränkung des Staatspräsidenten aufgehoben und der Posten des Ministerpräsidenten abgeschafft wurden. Ferner enthielt der neue Verfassungsentwurf spezifische Zusatzartikel zur Abwahl einzelner Abgeordneter vor Ende der jeweiligen Legislaturperiode.

Auch in der Umsetzung seines Ziels der Ausschaltung der parlamentarischen und außerparlamentarischen Opposition setzte Rhee Syngman auf ein spezifisches Instrumentarium. Eines der Schlüsselinstrumente sowohl zur Umgestaltung des politischen Systems als auch im Kampf gegen die Opposition – und vor allem den linken Kräften – war das Nationale Sicherheitsgesetz (kukkaboanbŏp; NSG). Das Gesetz wurde im November 1948 (als Folge angeblich kommunistischer Aufstände in Yosu und Sunch’on einen Monat zuvor) in der Nationalversammlung beschlossen und war der wohl sichtbarste Ausdruck des starren Anti-Kommunismus der Ersten Republik in Südkorea. Kern des Gesetzes war die Illegalisierung von Kommunismus und die Nichtanerkennung von Nordkorea als einer politischen Entität. Das Gesetz wurde insbesondere durch seine vagen Formulierungen für die südkoreanische Bevölkerung so gefährlich, da im Namen des NSG nahezu jeglicher Widerstand gegen die Regierung gebrochen werden konnte. Kommunismus, Protest und Widerstand gegen den Staat und dessen Autorität – all diese Vorgänge wurden so vage definiert, dass das Gesetz von den staatlichen Autoritäten als politisches Werkzeug zur Unterdrückung nahezu jeglichen Widerstandes gegen die Rhee-Regierung ausgenutzt und eingesetzt wurde.1 Alle wesentlichen Organisationen inkl. des Militärs, der Presse, den Erziehungsinstitutionen uvm. wurden Gegenstand von genauen Überprüfungen und Säuberungen. Auch im Ausbruch des Koreakrieges sah Rhee Syngman die Chance, sukzessive seine politischen Gegner und insbesondere der Linken, bzw. alle die Rhee für dazugehörig hielt, auszuschalten. Dabei übte das NSG nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch auf der politischen Ebene einen spezifischen Druck auf die Abgeordneten aus, um sie im Sinne Rhees gefügig zu machen. Es kam zu gezielten Verhaftungen von politischen Gegnern – quasi aus den Parlamenten heraus. Darüber hinaus setzte Rhee auch seine eigene Partei, die Liberale Partei (Chayudang), zur Durchsetzung seiner Interessen innerhalb der Nationalversammlung ein.

Parallel zum NSG und seiner eigenen Partei nutzte Rhee auch gezielt die Regierungsbürokratie, verschiedene rechtsgerichtete Organisationen (wie bspw. die Korea Youth Corps (Taehanch‘ŏngnyŏndan) sowie die nationale Polizei zur Durchsetzung seiner Interessen. Politisch zahlten sich diese Taktiken für Rhee durchaus aus: Wahlsiege waren durch die gezielte Ausschaltung bzw. Kaltstellung der politischen Gegner, durch landesweite Überwachungsaktionen, durch die zahllosen Ein- und Übergriffe bewaffneter Gangs, durch den massiven Einsatz des NSG und nicht zuletzt auch durch die Nicht-Vertrautheit der südkoreanischen Bevölkerung zu dieser Zeit mit demokratischen Prozessen quasi vorprogrammiert. Bei den Parlamentswahlen im Mai 1954 errang Rhees Partei die absolute Mehrheit der Sitze. Rhee versuchte über verschiedene Verfassungsänderungen seine Stellung innerhalb des politischen Systems immer weiter zu stärken. Herauszuheben ist vor allem der Vorschlag 1954, den Staatspräsidenten mehr als zwei Mal wiederwählen zu dürfen. Obwohl die dafür notwendige Mehrheit der Stimmen nicht erreicht wurde, setzte Rhee auch diese Verfassungsänderung mit einem Trick durch, nämlich der Abrundung der Stimmen für die einzelnen Fraktionen.


Grundproblem: Persönliche Ziele & Weltanschauung Rhees dominieren dessen Politik

An dieser Stelle kommt nun auch die Frage von Rhee Syngmans politischem Führungsstil und dessen Machtbasis ins Bild. Denn Rhees politischer Führungs- und Regierungsstil zeichnete sich durch ein Talent für meisterhafte politische Manipulationen aus, von denen er exzessiven Gebrauch machte. Doch diese Charakteristika des politischen Führungs- und Regierungsstils Rhees standen eigentlich in drastischem Gegensatz zu dem politischen System, in dem er sich bewegte bzw. in dem er sich als Preis der fortgesetzten amerikanischen Unterstützung gezwungen war zu bewegen: nämlich einer der Verfassung nach von Wahlen gestützten Demokratie mit verschiedenen konstitutionellen Absicherungen gegen einen exzessiven Machtgebrauch und eine Machtmonopolisierung.


Innenpolitische Basis der Macht Rhee Syngmans

Rhee Synmans Machtposition zu dieser Zeit basierte also insbesondere auf zwei grundlegenden Blöcken, die Rhee sukzessive ausbaute bzw. pervertierte: zum einen der institutionellen Macht und zum anderen aus der persönlichen Macht Rhees, die unmittelbar mit dessen Prestige und Ansehen verknüpft war.

AKS
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