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Schluss

27.06.2017

Koreanische Vorstellungen und Praktiken zu familiärer Zugehörigkeit und Herkunft, zu gesellschaftlicher Stellung und den Möglichkeiten ihrer Absicherung und Verbesserung insbesondere im Wege der Bildung sind aufs Engste verbunden mit der Jahrhunderte umspannenden Geschichte des Landes, insbesondere mit Prozessen der Staatengründung und den damit einhergehenden Prozessen der Begründung, Ausweitung und Absicherung dynastischer, zentralisierter Herrschaftsmacht.

Mit Abschluss der Eroberungskriege Sillas kam es in der Folge nicht mehr zu Machtwechseln in der Form, dass eine völlig neue Gruppierung an die Macht gelangt wäre. Vielmehr kam es nur noch zu horizontalen Machtwechseln innerhalb der bereits etablierten herrschenden Klasse. Die jeweils neu an die Macht gelangte Gruppierung pflegte dann, ihr loyal verbundene Kräfte aus der Peripherie ins Zentrum an ihre Seite zu holen und sie in hochrangigen Positionen in den Verwaltungsapparat einzugliedern.

Dynastiewechsel können somit als Auslöser für einen intensivierten Austausch zwischen Zentrum und Peripherie verstanden werden, durch welchen ursprünglich in der Peripherie angesiedelte Kräfte ins Zentrum integriert wurden und sich die Herrschaftsschicht insgesamt betrachtet in der Folge vergrößerte.

Zur Sicherung ihrer Macht ergriffen die neuen Machthaber dann jeweils Maßnahmen auf dem Gebiet der Provinzverwaltung, der Gestaltung des Gesellschaftssystems, des Erziehungswesens, und, nicht zuletzt, solche mit Blick auf die Durchsetzung einer bestimmten Weltsicht, die gewährleisten sollten, dass konkurrierende einflussreiche Kräfte in der Peripherie weitgehend der Kontrollstruktur des Zentrums unter- oder zumindest zugeordnet würden.

Die Verbindungen zwischen Zentrum und Peripherie, die Vernetzungen innerhalb der herrschenden Schichten beschränkten sich dabei nicht nur auf solche verwaltungstechnischer Art. Die Etablierung der Verwendung von Nachnamen und der damit einhergehenden Vorstellung von „Familie“, „Geschlecht“ oder „Sippe“ zu  Beginn der Koryŏ-Zeit, gepaart mit der Verfolgung einer konsequenten Heiratspolitik innerhalb der herrschenden Gruppierung, ebneten vielmehr den Weg für eine auch auf Familienzugehörigkeit beruhende Herrschaftsgemeinschaft, die durch „Blutsbande“ gerade auch zwischen Akteuren im Zentrum und in der Peripherie charakterisiert war.

Genauer verfolgten die um Ausbau und Erhalt ihrer Macht bemühten Könige eine Politik der dosierten Einbindung ihnen potentiell gefährlicher, rivalisierender lokaler Machthaber in das zentral gesteuerte Macht- und Regierungssystem, die sich zum einen auf die gezielte Herausbildung von  „Blutsbanden“ zu einflussreichen Familien in der Peripherie im Wege einer gezielten Heiratspolitik, zum anderen die Herausbildung eines komplexen und bis in die Provinzen reichenden Verwaltungsapparates zum Ziel setzte.

Umgekehrt wussten die Angehörigen der im Laufe der Jahrhunderte entstandenen Oberschicht des Zentrums wie auch der Peripherie neben ihrem Wohlstand und Einfluss, dem System der Staatsprüfungen und der erblichen Weitergabe von Staatsämtern auch die Dokumentation ihrer Familiengeschichte und die Fortführung derselben gerade im Wege einer konsequenten Heiratspolitik für die Absicherung und Ausweitung ihrer gesellschaftlichen Stellung zu nutzen.

Kritik und wechselseitige Kontrolle zwischen den Kräften des Zentrums und solcher der Peripherie erfolgte letztlich stets nur in dem durch solche Herrschaftsgemeinschaften vorgegebenen Rahmen. Diese an sich „geschlossene Gesellschaft“ der Herrschenden erwehrte sich einer grundlegenderen ideologischen Kritik, indem sie im Wege der Staatsprüfungen die zumindest theoretische Möglichkeit des gesellschaftlichen Aufstiegs einräumte.

AKS
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