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Ausgrabungen und Survey in Erice. Ein religiöser und politischer zentraler Ort zwischen Elymern, Karthagern und Römern

Projektleitung:
Förderung:

Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung

TOPOI. The Formation and Transformation of Space and Knowledge in Ancient Civilizations

Institut für Klassische Archäologie der FU Berlin

Untersuchung zu den Stadtmauern von Erice (Sizilien/Italien) und ihrer topographischen und diachronen Entwicklung während der elymischen, punischen und römischen Besiedlung der Stadt.

Eryx liegt auf einem ca. 750 m hohen Berg an der westlichsten Spitze Siziliens. Die geographische Lage bildete einen wichtigen Schnittpunkt zwischen verschiedenen Territorialmächten und Bevölkerungsgruppen: den Elymern, den Griechen und den Phöniziern (Abb. 1).

Abb. 1: Karte Westsiziliens

Die Stadt war, wie die literarischen Überlieferungen zeigen, einer der wichtigsten Orte Siziliens. Nichtsdestoweniger hat Eryx in der modernen Forschung lange Zeit wenig Beachtung gefunden. In archaischer Zeit und noch bis zum 5. Jh. v. Chr. lag die Stadt in der Hand der einheimischen Bevölkerungsgruppe der Elymer. Eryx besaß ein weites Territorium, welches sich bis zum unterhalb des Berges gelegenen Drepanon, dem heutigen Trapani, erstreckte. In Eryx war der Tempel der Aphrodite von besonderer Bedeutung, den der namensgebende Held Eryx zu Ehren seiner Mutter gegründet haben soll. Polybios behauptet, dass das Heiligtum das reichste in ganz Sizilien war und dass es sich auf dem höchsten Punkt des Berges erhob, während die Stadt an einer niedrigen Stelle lag.

Während der ständigen Kriege zwischen Karthago und Syrakus, der mächtigsten griechischen Stadt auf der Insel, rückte Syrakus in den Jahren 397/6 v. Chr. immer weiter in das punische Westsizilien vor und zerstörte diverse punische Städte, so z.B. Motya und Solunt. Eryx wurde nach Diodor von Dionysios I. von Syrakus kampflos erobert. Bereits im folgenden Jahr wurde die Stadt jedoch erneut vom karthagischen Feldherrn Himilco zurückerobert. In der punischen Phase muss Eryx als eine Stadt von herausragender politischer Bedeutung innerhalb der punischen Territorialmacht Westsiziliens angesehen werden.

Nach dem Krieg fiel Eryx endgültig in die Hände der Römer und wurde Teil der römischen Provinz Sicilia. Wie literarische Quellen deutlich zeigen, behielt Eryx auch in römischer Zeit seine zentrale Funktion. Cicero ergänzt, dass einer der beiden sizilischen Quästoren »montem Erycem obtinebat« und zeitweise in Eryx residiert hat. Die zwei Quästoren der Provinz mussten, bevor sie ihr Amt antreten durften, das Heiligtum von Eryx besuchen und dort der Göttin opfern. Der punische Kult der Astarte Erykina von Eryx wurde von den Römern mit der Verehrung der Venus gleichgesetzt. Mit dem zweiten punischen Krieg gelangte der Kult nach der Schlacht am Trasimenischen See im Jahre 217 v. Chr. nach Rom. Der karthagischen Venus Erykina wurde in Rom ein Tempel auf dem Capitol erbaut. Einen zweiten Tempel erhielt die Göttin im Jahr 181 v. Chr. vor der Porta Collina.

Im Gegensatz zu den historischen und epigraphischen Quellen sind die archäologischen Überreste aus Eryx bis heute sehr spärlich. Aufgrund der weitläufigen Überbauung durch die moderne Stadt ist die Struktur der antiken Siedlung noch unbekannt (Abb. 2).

Abb. 2: Erice. Plan der modernen Stadt mir rot markierter Stadtmauer

In der heutigen Stadt, die eine dreieckige Form aufweist, sind an drei Stellen antike Überreste auszumachen: eine Nekropole im Südteil der Stadt, Hinweise auf das Venus Erykina-Heiligtum, welches unter der mittelalterlichen Burg (Abb. 3) vermutet wird, und ein Teil des Mauerrings. Von dieser Befestigungsanlage haben sich 18 Türme und drei Stadttore erhalten. Dabei handelt es sich um die Porta Spada, die Porta Carmine und die Porta Trapani.

 

Abb. 3: Die Stadtburg von Erice

Die Stadtmauer ist nur noch auf der Westseite der Stadt auf einer Länge von ca. 800 m erhalten. Die Türme weisen, wie frühere Forschungen ergeben haben, drei unterschiedliche Bauphasen auf. Die jüngste ist in das 13. Jh. n. Chr. zu datieren. Die Bauabfolge dieser Befestigungsanlage konnte noch nicht genau bestimmt werden. Der Baubeginn wird zwischen dem Ende des 8. und dem 4. Jh. v. Chr. vermutet.

 

Das Forschungsprojekt

Im Rahmen der neuen Forschungen in Eryx wurden die Chronologie der verschiedenen Bauphasen der Stadtmauer sowie der gesamte Verlauf der Befestigungsanlage, die heutzutage nur auf der Westseite bewahrt ist, erforscht. Die Analyse der Bautechniken dieser Stadtmauer, die sich auf eine photogrammetrische Aufnahme stützt, hat gezeigt, dass die noch sichtbaren Reste der Mauer bis zum heutigen Gehniveau die bereits weiter oben angedeutete mittelalterliche Bautechnik aufweisen. Im Allgemeinen weist die Stadtmauer eine Breite zwischen ca. 2 und 3 m auf. Die Überreste von älteren Mauern haben sich nur bei den Türmen, insbesondere bei den nördlichsten, erhalten. In diesem Zusammenhang sind drei Bauphasen bekannt, die vor dem Mittelalter entstanden sind. Die ›zyklopische Mauern‹ bilden die älteste Phase. Die Mauern ruhen auf einem Sockel aus großen, unregelmäßigen, grobbehauenen Felsblöcken, die, wie auch die Quader der folgenden Bauphasen, ohne Mörtel verbunden sind (Abb. 4).

Abb. 4: Nordseite des Turms 1 mit dem Mauersockel der ersten Bauphase

 

Das über dem Sockel aufgehende Mauerwerk besteht aus Felsblöcken. Diese sind jedoch kleiner und regelmäßiger behauen. Die zweite Bauphase besteht aus großen, viereckigen Quadern, die bis zu ca. 1 m Breite aufweisen können und sich mit kleinen Quadern abwechseln. Diese Bautechnik findet sich jedoch nur im Aufriss der Mauer und nicht in den Fundamenten. Eine genauere Datierung dieser Mauertechnik kann daher noch nicht getroffen werden. Eine dritte Bauphase ist durch die Verwendung regelmäßiger Quader von unterschiedlicher Länge gekennzeichnet. Die einzelnen Blöcke können bis zu ca. 1,5 m Länge aufweisen und zeigen durchaus Ähnlichkeit zum pseudoisodomen Mauerwerk.

Auf diese Analysen zu den Bautechniken der Befestigungsmauer und die geophysikalischen Prospektionen (Abb. 5) im Sommer 2009 folgte im Sommer 2010 und 2011 je eine Grabungskampagne und im Sommer 2012 eine Fundbearbeitungskampagne. Es wurden fünf Türme an ihren Fundamentniveaus untersucht, deren Erforschung angesichts des Vorhandenseins aller bislang bekannten Bautechniken besonders lohnenswert erschien (Abb. 6-7).

Abb. 5: Geophysikalische Prospektionen im Burghof

 

Abb. 6: Grabung an den Fundamentniveaus der Südseite des Turms 5

 

Abb. 7: Grabung an den Fundamentniveaus der Südseite des Turms 6

Die Errichtung der ersten Bauphase der Stadtmauer von Eryx kann aufgrund der Auswertung der Funde aus den Fundamenten der Türme am Anfang des 5. Jhs. v. Chr. angesetzt werden. Es handelt sich um eine bedeutende Phase von Eryx, in der auch die erste Münzprägung belegt ist. Diese Neuerung könnte, zusammen mit der Errichtung der Stadtmauer, ein Hinweis für eine erste Strukturierung der Stadt als Polis sein. Bezüglich der dritten Bauphase haben die neuen Untersuchungen bewiesen, dass diese in die zweite Hälfte des 1. Jhs. v. Chr., also in römische Zeit, datiert werden kann.

Das Projekt ist als Lehrgrabung des Instituts für Klassische Archäologie der Freien Universität Berlin konzipiert und insgesamt haben zwischen 2009 und 2012 vierzig Studierende an den Forschungskampagnen teilgenommen (Abb. 8).

Abb. 8: Grabungsgruppe (Kampagne 2011)

Viele der gewonnenen Ergebnisse stützen sich auf die sorgfältige Arbeit und die zahlreichen Überlegungen der Studierenden. Die Grabungskampagnen wurden vom Exzellenzcluster 264 „TOPOI. The Formation and Transformation of Space and Knowledge in Ancient Civilizations“ und durch Mittel des Instituts für Klassische Archäologie der FU Berlin kofinanziert. Von November 2012 bis Oktober 2014 wird das Projekt von der Fritz Thyssen Stiftung gefördert.

 

 

Mitarbeiter:

Dr. Chiara Blasetti Fantauzzi (Fundbearbeitug)

Dr. Caroline Huguenot (Digitalisierung der Pläne)

Dr. Pierfrancesco Vecchio (Fundbearbeitug)

Lukas Grzona B.A. (Schnittleiter)

 

Publikationen:

S. De Vincenzo, Nuove indagini a Erice. Le prospezioni geomagnetiche lungo il versante nord orientale della città, in: E. Acquaro, A. Filippi, S. Medas (Hrsg.), La devozione dei naviganti. Il culto di Afrodite Ericina nel Mediterraneo. Atti del congresso di Erice 27-28 Novembre 2009, Biblioteca di Byrsa (Lugano 2010) 3547.

 

C. Blasetti Fantauzzi, S. De Vincenzo, Nuove indagini alla cinta muraria di Erice (TP). Le campagne di scavo 2010 – 2011, The Journal of Fasti-Online 2012, folder 272.

 

S. De Vincenzo, Neue Forschungen in Erice. Die Ausgrabungen an der Stadtmauer und die Topographie der Stadt, in: Fokus Fortifikation. Conference on the Research of Fortifications in Antiquity, 6-9 December 2012 at the Danish Institute at Athens (im Druck).