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Bartholomäus Scultetus

Bartholomäus Scultetus

1.1. Name, Tätigkeiten und Positionen

Bartholomäus Scultetus [Weinscholz]

Lehrer; Stadtrichter; Bürgermeister, versch. städt. Ämter; wiss. Publizist; Mathematiker, Astronom, Kalenderreformer und -hg., Landmesser und Kartograph, Astrologe, Paracelsist, bibl. Chronographie, Geschichtsschreiber, Inschriftensammler; geadelt; prot. (vermutl. luth.); verh.

1.2. Geburts- und Todesjahr und -ort

* 14. 05. 1540 Görlitz

† 21. 06. 1614 ebd.

1.3. Herkunft, Lebensbeschreibung, Konfession

Vater besaß und betrieb ein Vorwerk und war Görlitzer Bürger, Mutter Ursula Eichler, deren Eltern waren Bauern in Moys bei Görlitz; latinisierte Namensform (von Schulz) vom älteren Bruder Zacharias übernommen, der sich nach dem Vorbild des Abraham Scultetus richtete; Besuch der Görlitzer Stadtschule; 1557 Studienbeginn in Wittenberg, u. a. lehrte dort C. Peucer Mathematik; 1559 Univ. Leipzig, wo er Jura, Geschichte und Mathematik studierte; 1562 Wittenberg u. a. Universitäten, 1564 Mag. in Wittenberg; Rückkehr nach Leipzig und dort math. Vorlesungen; 1567 Rückkehr nach Görlitz; nach seiner Rückkehr nach Görlitz verdiente er seinen Lebensunterhalt durch das Malen von Sonnenuhren, das Stellen von Horoskopen und die Entfaltung einer umfangreichen Schriftstellerei; 1570 erste Heirat mit der 44j. Witwe Agnes Tiel, ab 1570 als Lehrer (Arithmetik und Sphären) an der Görlitzer Stadtschule; 1571 von der Stadt bestellter Einnehmer der ksl. Biergelder; 1572 Tod der 1. Frau; 1573 2. Heirat mit der 15j. Helene Röber, 1574-95 Geburten von 6 Kindern; 1577-79 Amtmann in Ober- und Niederkiesdorf; 1578 Ratsmitglied, bis 1584 daneben weiterhin als Lehrer tätig; 1580-1614 Almosenverwalter; ab 1581 12 Jahre lang Verwalter des Weinkellers; 1585 Kämmerer; 1588 Schöffe und zugleich Kämmerer; 1589 Stadtrichter; 1592, 1596, 1600, 1604, 1608, 1612 Bürgermeister; 19 Jahre lang hatte er die Haideverwaltung [?], 1574-1614 die der Kirchen, 1595-1614 den Salzurbar; von einer Moskauer Gesandtschaft erhielt er (wohl 1595) den Auftrag, eine Karte Moskaus anzufertigen; wurde in den Adelsstand erhoben; schrieb geograph., astronom., chronol., kalendarische Werke: ab 1567 erstellte BSc jährl. einen Schreibkalender und Prognostikon für das folgende Jahr, in jedem Kalender ab 1572 behandelt er die Geschichte einer Sechsstadt (erhalten: 1567-1594); 1568 Landkarte von Meißen im Auftrag Kf. Augusts v. Sachsen, 1572 Landkarte der Oberlausitz im Auftrag der Landstände; 1571 Computus; 1572 Gnomonik mit autobiographischer Vorrede; 1575 komm. Ausgabe von Paracelsus‘ Pestbuch, Ephemeris annorum mundanorum ... (chronol. Arbeit); 1580/81 biblische Chronologie: Ephemerides bibliorum (AT), Diarium Humanitatis Jesu Christi (Evangelien; dt.), Diarium Apostolorum (Apg.); 1582 Von dem römischen Calender, seiner ersten Ankunfft ... (dt., mit lat. Widmung an den Kaiser); 1585 Transformatio calendarii in rotulis mobilibus; ab 1589 Richter-Tagebuch (3 Bde., im 3. Bd. S. 411-508 sein diarium consulare), 1589 Komm. der 5 Bücher Mose (geograph., astronom., chronol.); 1612 Memorial seiner Amtsverrichtungen und Schriftstellerei (dt./lat. gemischt); Kontakte mit Rabbi Löw in Prag, daraufhin entwickelte er ein Werk zum Vergleich verschiedener Kalender; Lehrer und Freund von Tycho Brahe

1.4. Literatur zur Person

ADB 33 (1891), 497f. (Günther); Schlesische Lebensbilder 6 (1990) 46-55 (Manfred Paul Fleischer); Heinrich Gräve, M. Bartholomäus Scultetus, Bürgermeister zu Görlitz. In: NLM 3 (1824) 455-505; E. Koch, Bartholomäus Scultetus und die Moskowiter in der Oberlausitz. Mit einem Bild des Scultetus. In: NLM 83 (1907) 1-90 (u.a. BSc’s Lebensbeschreibung, Bildnisse, seine Kalender, Gnomonik, Ephemeris, Computus, Landkarten); 84 (1908) 41-109 (u.a. Kalenderreform); 85 (1909) 255-290 (u.a. sein Bericht über die Moskowitische Gesandtschaft 1595); 86 (1910) 1-80 (u.a. BSc’s Freundeskreis; seine Schriften; seine Bedeutung; seine Familie); M. Reuther, Der Görlitzer Bürgermeister, Mathematiker, Astronom und Kartograph Bartholomäus Scultetus (1540-1614). In: Wiss. Zs der TH Dresden 5 (1955/56) 1133-1161; Lit.: ferner Schottenloher (1932ff.) 19783. 84. 87-92; K. Löhler, Urkundenverzeichniss, 1289 beginnend, von Scultetus zu Ende des 16. Jahrhunderts angelegt. In: NLM 15 (1837) 320; Inhalt der von Scultetus gesammelten Urkundenbücher. In: NLM 20 (1842) 135-138; Anagramm auf ihn von Georg Plönsch 1613. In: NLM 27 (1850) 235; Curiosa aus seinem Diarium. Von J. K. O. Jancke. In: NLM 35 (1859) 240; Seine Nachrichten über die Pulververschwörung in Görlitz. Von G. A. Köhler. In: NLM 35 (1859) 333-341; Catalogus ludimoderatorum Gorlicensium 1395-1594, aus seinem Registrum consulum Gorlic. Von J. K. O. Jancke. In: NLM 38 (1861) 287f.; Sein Registrum consulum Gorlicensium. Von J. K. O. Jancke. In: NLM 45 (1869) 301-307; Die Rathsordnung in Görlitz v. J. 1489. Von J. K. O. Jancke. In: NLM 48 (1871) 222-246; Seine eigenhändig geschriebene Sammlung Görlitzer Inschriften. Von J. K. O. Jancke. In: NLM 47, 119f.; Seine Landkarte der Oberlausitz und ein an die Stände gerichteter Brief von 1596 im Bautzener Stieber-Museum. Von H. Baumgärtel. In: NLM 67 (1891) 247-250; Zehn Jahre aus Görlitzens Vergangenheit 1567-1577, nach dem Diarium des Barthol. Scultetus. Von G. Eitner. In: NLM 70 (1894), 13-20; Leihkauf i. J. 1571 (aus Scultet’s Diarium). Von G. A. Köhler. In: NLM 20 (1842), 109; Begnadigung wegen Heirath in Görlitz 1573 (aus Scultet’s Diarium). Von G. A. Köhler. In: NLM 20 (1842), 109; Richard Jecht, Sein Wohnhaus in Görlitz. In: NLM 89 (1913), 214-222, bes. 219f.; W. v. Boetticher, E libris rerum gestarum Gorlicensium. Abschnitt III: Barthol. Sculteti: Ex libro expeditionum bellicarum 1404-1479. In: NLM 91 (1915), 161-197; W. v. Boetticher, Almosenwesen in Görlitz im 16. Jahrhundert, besonders zur Zeit des Bartholomäus Scultetus, etwa 1580-1610. In: NLM 106 (1930), 143-171; A. Zobel, Bartholomei Skulteti Signaturen von Kirchensachen. Mit Schlagwörterverzeichnis. In: NLM 107 (1931), 193-202; Max Gondolatsch, Der Personenkreis um das Görlitzer Convivium und Collegium Musicum im 16. und 17. Jahrhundert. In: NLM 112 (1936) 76-155; Heinrich Kramm, Besitzschichten und Bildungsschichten der mitteldt. Städte im 16. Jahrhundert. In: Vjs f Sozial- und Wirtschaftsgesch 51 (1964) 454-491: 480 („Von der zweiten Hälfte des Jahrhunderts an wird in Görlitz der Wandel deutlicher in der Verbindung von Studierten und Verwaltungsbeamtentum, welche die Ratsherrschaft der alten Geschlechter allmählich verdrängen; ein Prototyp der neuen Zeit ist Bartholomäus Scultetus.“); Ernst-Heinz Lemper, Görlitz und der Paracelsismus. In: Dt. Zs für Philosophie 18 (1970) 347-360

2.1. Quelle: benutzte Edition

(a) BS Gnomonice de solariis, sive doctrina practica tertiae partis astronomiae. Von allerlei Solarien / das ist / Himmlischen Circuln vnd Vhren / Wie man dieselben an die auffgerichten Planicien oder Wende / Vnd in allerhand hole Instrument / von den Planis / Sphæricis vnd vermischten superficiebus zusammen gesetzt / ku(e)nstlich verzeichnen vnd repræsentiren sol. Fu(e)rnemlich nach Geometrischem Grundt des abmessens angestellet. Darinnen anlangend die gedachten Instrument / in einem jetwedern eines vo(e)lligen Hemissphæriæ designation, von einem Zeyger vnd puncto (so an statt des mittels der Welt gehalten) anzuschawen geben vnd erzeigt wird. Dergleichen vor niemals an Tag kommen. Jetzundt auffs new zugericht vnd perficirt / Durch Bartholomæum Scultetum Gorl. Der Astronomischen vnd Geometrischen Ku(e)nsten besondern Liebhaber. Görlitz: Ambrosius Fritsch in Kosten und Verlegung Matthiae Menii 1572, Widmungsvorrede )(iir-(:)iiv (= ND Amsterdam 1670)

[(b) Diarien in Schreibkalendern (bisher nur Auszüge ed.), hier nicht verwendet]

2.2. Beschreibung der Edition, Bemerkungen

-

2.3. Literatur zur Quelle bzw. Edition

(a) Schottenloher (1953) 129f. (Nr. 283). 211; Jancke (2002) 133f. (Patronage)

[(b) -]

2.4. weitere Editionen; Auszüge, Übersetzungen

(a) -

[(b) Auszüge: J. C. O. Jancke, Memorabilia scholastica Gorlicensia, ex ore M. Barthol. Sculteti in Diario ejus manuscripto, ab anno 1567-1594, posteritati data. In: Neues Lausitzisches Magazin 38 (1861), 265-280; 44 (1868), 267-273 (Schottenloher (1932ff.) 19785); J. C. O. Jancke, M. Bartholomäi Sculteti lusatische Reisen und seine Mappa Lusatiae. In: NLM 38 (1861), 280-285 (Schottenloher (1932ff.) 19786); E. Koch, 1. Aus Scultets verloren gegangenen Schreibkalendern [Nachr. zur Oberlaus. Geschichte, über seine Zeitgenossen, seine persönl. Verhältnisse, seine Ehe und Kinder]. 2. Geschichtliche Beigaben zu den Schreibkalendern und ein bisher unbekannter Brief Scultets. In: NLM 92 (1916), 20-58; knappe Beschreibung der Diarien: Richard Jecht, Verlorene Handschriften des Bartholomäus Scultetus. In: NLM 117 (1941) 166-170, bes. 166

3.1. Abfassungszeit

(a) 01. 08. 1572

[(b) vermutl. während des jeweils laufenden Jahres 1567-1594]

3.2. AdressatInnen

(a) „Dem Edlen / Gestrengen vnd Hochgelarten Herrn / Georg Mehl von Strolitz / auff Gra(e)ffenstein / etc. Ro(e)m. Keys. May. Rath / der Cron Behaimb Vicecantzlern vnd der Rechten Doctorn / Meinem großgu(e)nstigen Herrn vnd Fo(e)rderer.“[)(iir]; weiterhin allgemeines Publikum, das an der Wissenschaft interessiert, aber der (lat.) Wissenschaftssprache nicht unbedingt mächtig ist: „vor ein guten Freundt in Deudscher Sprach zugericht / Darinnen diese doctrin auffs einfaltigest / leichtest vnd ku(e)rtzest explicirt.“ [(:)iv]; seine Schüler und Studenten, denen er darüber Vorlesungen hielt

[(b) selbst?]

3.3. Funktion der Quelle

(a) Dank an den Patron, Wunsch nach Förderung und Unterstützung dieses Buches und weiterer Projekte im selben wiss. Bereich; Unterrichtung in Theorie und Praxis des astronomischen Wissenschaftszweiges „Gnomonica“

[(b) geht aus den Auszügen nicht hervor; deutlich ist aber ein enger Zusammenhang von Wissens- und wiss. Anwendungsbereichen (Astronomie, bibliographisch-hist. Chronologie, Astrologie, Prognostika) mit der Anwendung aufs eigene Leben]

3.4. Medium (hsl.; gedr.); Überlieferung; Ort der Hs.

(a) gedr.

[(b) selbst angefertigte gedr. Kalender mit hsl. Eintragungen; Ort der erhaltenen Jgg. 1567-1594 (mind. bis 1941: Jecht [s.o. 2.4.]): Görlitz, Bibliothek der Oberlausitzischen Ges. d. Wiss.en, Sign. L I III 2b Handschriftenschrank), Jgg. 1595-1614 verloren (Jecht 1941) (s.o. 2.4.]

4.1. Berichtszeitraum

(a) Jugend-1572

[(b) 1567-1594]

4.2. Sprache

(a) dt. mit zahlreichen lat. Wörtern und Wortkombinationen

4.3. Form der Quelle

(a) Ich-Form, Widmungsvorrede; einer Erläuterung des im vorliegenden Buch erklärten Wissenschaftsbereiches folgt ein Abriss der Wissenschaftsgeschichte v. a. im dt.sprachigen Bereich, daran schließt BSc seine pers. Wissenschaftsbiographie an, die mit der Entstehungsgeschichte des vorliegenden Buches endet; am Schluss steht ein Abschnitt über die Funktionen der Bücher-Patronage (und also der vorl. Widmungsvorrede) und die Gründe zur Wahl des als Patron Angesprochenen; alle Teile der Widmungsvorrede konzentrieren sich auf den unter dem Begriff „Gnomonica“ behandelten Teil der Astronomie

[(b) Schreibkalender (auf einer Seite die Monatsdaten, auf der gegenüberliegenden unbedr. Seite BS‘ hsl. Eintragungen), also eine Art Diarium (vgl. BSc’s diarium humanitatis Jesu Christi: Koch [s.o. 1.4.] Teil 20)]

4.4. Inhalt

(a) pers. Wissenschaftsbiographie für den im vorl. Buch erklärten Teil der Astronomie; als Lehrer wichtig sein Bruder Zacharias und der Leipziger Prof. Joh. Hommelius, nach deren jwl. frühem Tod BSc die Kenntnisse und Unterlagen übernehmen und weiter nutzen konnte; eigene Lehrtätigkeit zum Thema

[(b) Schule, convivium musicum, Kinder (Geburten, Krankheiten, Fortschritte: Entwöhnung, Gehenlernen), Tod der 1. Frau, eigene Krankheiten, Träume, Sprichwörter, Wetter, jahreszeitliche Beobachtungen an Tieren und Pflanzen, Korrespondenz mit auswärtigen Freunden und Gelehrten, Amtsgeschäfte; vaterländ.-chronikal. und allgemeine weltgeschichtl. Daten]

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