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Helene Kottanner

Helene Kottanner

1.1. Name, Tätigkeiten und Positionen

Helene Kottanner [Helene Kottannerin]

adlig; Hofdame; röm.-kath.; verh.

1.2. Geburts- und Todesjahr und -ort

* 1400 Ödenburg

† 1452 o. später in ?

1.3. Herkunft, Lebensbeschreibung, Konfession

Vater Peter Wolfram gehörte dem örtlichen Niederadel an und diente westungarischen Herren; Name der Mutter unbekannt, keine Angaben über Jugendzeit und Ausbildung; heiratete den Patrizier Peter Székeles (+ 1430) aus Ödenburg; dieser war Bürgermeister v. Ödenburg, in dieser Ehe mehrere Kinder; 1432 Heirat mit Johann Kottanner, Kämmerer des Propstes der Wiener Kathedrale − zweite Heirat mit Einwilligung ihrer nächsten Verwandten sowie auf Empfehlung des Wiener Stadtrates und des Wiener Dompropstes; Kinder aus beiden Ehen (namentlich bekannt Wilhelm Székeles und Katharina Kottanner); als Kammerfrau Königin Elisabeths und Erzieherin der Tochter Elisabeth ab 1436 am Wiener Hof Hz. Albrechts V. v. Österreich, kam im Gefolge ihres Herrn Apr. 1439 nach Ungarn; 1442 Tod Elisabeths, 1457 Tod Ladislaus‘; nach 1442 kehrte sie wahrscheinlich nach Wien zurück, wo ihr Mann ein Haus besaß; 1452 erhielt HK die erwartete Belohnung ihrer Dienste; der ungarische Gubernator Johann Hunyadi schenkte dem Ehepaar 1452 wg. dessen Verdiensten um Ladislaus den kgl. Besitz Kisfalud auf der Schüttinsel, was noch 1470 v. Matthias Corvinus bestätigt wurde

1.4. Literatur zur Person

ADB 16 (1882) 764f. (Krones); VL2 5 (1985) 326-328 (Winfried Stelzer); Ernst Birk, Beiträge zur Geschichte der Königin Elisabeth von Ungarn und ihres Sohnes König Ladislaus 1440-1457. In: Quellen und Forschungen zur vaterländischen Gesch., Lit. und Kunst. Wien 1849, 209-258; Wilhelm Wostry, Kg. Albrecht II. (1437-1439). (= Prager Studien aus dem Gebiete der Geschichtswissenschaft). Prag 1907; Rudolf Durst, Königin Elisabeth von Ungarn und ihre Beziehungen zu Oesterreich in den Jahren 1439-1442. Teil 1: Progr. Böhm.-Leipa 1907, Forts. und Schluss ebd. 1908, Teil 2: Regesten. Böhm.-Leipa 1910; Rudolf Manns, König Albrecht II. und die Kirchenpolitik des röm. Reiches 1438 und 1439. Diss. Marburg 1911; Lothar Groß, Zur Biographie der Helena Kotannerin. In: Monatsblatt des Vereines f Gesch der Stadt Wien 2, VI.-XI. Jg. (1924-1928) Nr. 6/8, Juni-August 1925 (VII./42. Jg.) 65-67; Ann Tizia Leitich, Helene Kottannerin, die Königsmacherin. In: dies., Die Wienerin. Stuttgart 1939, 38-43; Bernhard Capesius, Die Herkunft von Veit Huendler und Helene Kottanerin. In: Dt. Forschung im Südosten 2 (1943) 477-482; Hans Rupprich, Das Wiener Schrifttum des ausgehenden Mittelalters. (= Sitzungsberichte / Österreichische Ak der Wissenschaften, Philos-hist Klasse 228, Abh. 5) Wien 1954, 180f.; Heimito von Doderer, Die Dämonen. Nach der Chronik des Sektionsrates Geyrenhoff. Roman. München 1985 (11956; 31993) 448ff.; Herbert Zeman, Österreichische Literatur: Zwei Studien. In: Jb der Grillparzer-Ges. 3 no. 8 (1970) 11-57: 11-28 (zur Kottannerin); Franz Probst, Helene Kottanerin. In: Tausend Jahre Österreich. Eine biogr. Chronik. Bd. 1. Wien/München 1973, 85-88; Natalie Zemon Davis, Gender and Genre: Women as Historical Writers. 1400-1820. In: Patricia H. Labalme (ed.), Beyond Their Sex: Learned Women of the European Past. New York 1980, 153-183; Heide Dienst, Frauenalltag in erzählenden Quellen des Spätmittelalters. In: Frau und spätmittelalterlicher Alltag. Internationaler Kongreß Krems/Donau 2. bis 5. Oktober 1984. Vorgelegt v. Heinrich Appelt. (= Sitzungsberichte / Österreichische Ak der Wissenschaften, Philos-hist Klasse 473; Veröffentlichungen des Instituts f Mittelalterliche Realienkunde Österreichs 9). Wien 1986, 234-241; Maya C. Bijvoet, Helene Kottanner: The Austrian Chambermaid. In: Katharina M. Wilson (ed.), Women Writers of the Renaissance and Reformation. Athens, Georgia/London 1987, 327-349; Ursula Liebertz-Grün, Women and Power: On the Socialization of German Noblewomen 1150-1450. In: Monatshefte 82,1 (1990) 17-37; dass. dt.: Frau und Herrscherin. Zur Sozialisation dt. Adeliger (1150-1450). In: Bea Lundt (Hg.), Auf der Suche nach der Frau im Mittelalter. Fragen, Quellen, Antworten. München 1991, 165-187; Bijvoet Williamson ed. (s.u. 2.4.) 1-19 (biogr. und hist. Hintergrund)

2.1. Quelle: benutzte Edition

Karl Mollay (Hg.), Die Denkwürdigkeiten der Helene Kottannerin (1439-1440). (= Wiener Neudrucke 2). Wien 1971, Text: 9-35 − Rez.: Bayerisches Jb f Volksk 1972/75, 238; Hermann Möcker, in: Österreich in Gesch und Lit. Hg. v. Institut f. Österreichkunde. Wien 1975, 19 (1975) 375f.; Ingo Reiffenstein, in: Sprachkunst. Beiträge zur Literaturwissenschaft 4 (1973) 164-166

2.2. Beschreibung der Edition, Bemerkungen

krit. Textausgabe (diplomatischer Abdruck) nach der einzigen Hs.; sinnstörende Interpunktionen stillschweigend modifiziert, fehlende Interpunktionen sinngemäß ergänzt; enthält Photographien der Hs., Glossar und Register; Nachwort mit Verweisen auf ungarische Forschungslit.

2.3. Literatur zur Quelle bzw. Edition

Mollay ed. (s.o. 2.1.) 92 (vermutet, dass HK nur in sehr eingeschränktem Sinn als Verf.in anzusprechen sei: (1) habe sie nicht selbst geschrieben, sondern einem männlichen Schreiber diktiert, (2) habe dieser die konzeptionelle Ordnung in das Diktierte gebracht; seine Begründung: „Es ist aber schwer zu glauben, daß im 15. Jahrhundert eine Frau, auch wenn sie so erfahren und schlagfertig war wie die Kottannerin, diese ,Denkwürdigkeiten‘ ohne Zuhilfenahme einer gelehrten Feder vom Anfang bis zum Ende wie eine einfache Erzählung diktiert hätte. Der Aufbau und die unleugbare Tendenz scheinen das zu bestätigen.“); Maya C. Bijvoet, Helene Kottanner: The Austrian Chambermaid. In: Wilson ed. (s.o. 1.4.) 326-335, besonders 330-332 (hält nur die Frage der Niederschrift f. nicht klärbar, hinsichtlich der VerfasserInnenschaft indes nimmt sie mit guten Gründen HKs eigene Kompetenz und Aktivität als plausibel und wahrscheinlich an); Beatrix Eichinger, Geschlechtstypisches Erleben im 15. Jahrhundert? Die autobiographischen Schriften einer Frau und zweier Männer im Vergleich. Die Denkwürdigkeiten der Helene Kottannerin (1439-1440). Des Andreas Lapitz Zug nach Rom 1451 und andere denkwürdige Geschichten. Hanns Hierszmanns, Thürhüthers Herzog Albrechts VI. von Österreich, Bericht über Krankheit und Tod seines Herren, 1463 und 1464. masch. Dipl.-Arb. Wien 1994; Kornelia Holzner, Zum Alltag von Frauen und Männern in den „Denkwürdigkeiten der Helene Kottannerin“ (1439-1440). masch. phil. Dipl.-Arb. Wien 1994; Heimito von Doderer, Helene Kottanner. Denkwürdigkeiten einer Wienerin von 1440. In: ders., Die Wiederkehr des Drachen. Aufsätze, Traktate, Reden. Hg. v. Wendelin Schmidt-Dengler. München 1970 (21996), 221-226; Tersch (1998) 39-51; Klaus Arnold, Die Frau als ,Autorin' - und die Autorin als Frau im europäischen Mittelalter. In: Jochen Martin/Renate Zoepffel (Hgg.), Aufgaben, Rollen und Räume von Frau und Mann, Bd. 2 (= Kindheit, Jugend, Familie 3,2) (= Veröffentlichungen des Institus für Historische Anthropologie e.V. 5,2). Freiburg 1989, 709-729: 722f.; Bijvoet Williamson ed. (s.u. 2.4.), “I, Helene Kottanner ...”: Kottanner’s Memoirs as Autobiography, 53-71; Barbara Schmid, Schreiben für Status und Herrschaft. Deutsche Autobiographik in Spätmittelalter und früher Neuzeit. Zürich 2006, 132-140; dies., Raumkonzepte und Inszenierung von Räumen in Helene Kottanners Bericht von der Geburt und Krönung des Königs Ladislaus Postumus (1440-1457). In: Ursula Kundert/Barbara Schmid/Regula Schmid (Hgg.), Ausmessen − Darstellen − Inszenieren. Raumkonzepte und die Wiedergabe von Räumen in Mittelalter und früher Neuzeit. Zürich 2007, 113-138 (zur Verfasserschaft)

2.4. weitere Editionen; Auszüge, Übersetzungen

Aus den Denkwürdigkeiten der Helene Kottannerin 1439. 1440. Hg. v. Stephan Ladislaus Endlicher. Leipzig 1846; Alice Wengraf, Aus den Denkwürdigkeiten der Helene Kottannerin, 1439 bis 1440. In: Ungarische Rundschau f hist u soz Wissenschaft 3 (1914) 434-441; Teilabdruck nach Endlicher ed. (1846): Gustav Freytag (Hg.), Bilder aus der deutschen Vergangenheit. Bd. 2,1: Vom Mittelalter zur Neuzeit (1200-1500). Leipzig 161887, 353-372 [Hs.: Wien k.k. Bibliothek No. 2920]; Auszug in: Gerhard Eis/P. Rainer Rudolf, Altdeutsches Schrifttum im Nordkarpatenraum. München 1960, 77-80 (ed. nach d. Orig.-Hs.); Auszug in engl. Übers.: Maya C. Bijvoet, Helene Kottanner: The Austrian Chambermaid. In: Wilson ed. (s.o. 1.4.) 326-335: 337-348; vollst. engl. Übers.: Maya C. Bijvoet Williamson (ed.), The Memoirs of Helene Kottanner (1439-1440). Transl. from the German with Introduction, Interpretive Essay and Notes. (= Library of Medieval Women). Cambridge 1998, 21-52

3.1. Abfassungszeit

zw. 1442 (nach Tod Elizabeths) und 1450

3.2. AdressatInnen

wahrsch.: der Thronfolger Kg. Ladislaus bzw. seine Repräsentanten, öfters direkte Adressaten-Anrede mit „ir“

3.3. Funktion der Quelle

wahrsch.: Denkschrift f. Ladislaus Postumus zwecks Belohnung f. geleistete Dienste

3.4. Medium (hsl.; gedr.); Überlieferung; Ort der Hs.

hsl.; Hs. ist unvollst.; Schlussteil fehlt, ob es sich um das Orig. handelt, ist unklar (vermutlich Abschrift); Ort (1971): Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2920

4.1. Berichtszeitraum

April 1439- Anfang Juli 1440

4.2. Sprache

dt.

4.3. Form der Quelle

Ich-Form, Prosa

4.4. Inhalt

nach dem Tod des ungarischen Königs Albrecht: Aktionen der Wwe. Elisabeth und HKs als deren Zofe und Ratgeberin zugunsten der dynastischen Thronfolge des Sohnes Ladislaus, HK hebt die Rechtmäßigkeit des entspr. Handelns der Königin und ihre eigene Leistung bei der Realisierung hervor: Geburt des Thronfolgers, Raub der Krone durch HK, Organisation und Durchführung der Krönung, getrennte Flucht der Wwe. Elisabeth einerseits und des Thronfolgers unter der Obhut und Leitung HKs andererseits; Zuordnung göttlicher Zustimmung und Hilfe zur eigenen Seite, Zuordnung teuflischer und gespensterhafter Hilfe zur Gegenseite; Hintergrund der Konflikte: die (männlichen) Landesherren wollten die Königin nicht allein regieren lassen bzw. als Haupt einer Regierung akzeptieren − deshalb wollten sie sie zur Heirat mit dem 16j. Polenkg. Wladislaw III. zwingen; detaillierte Reisebeschreibungen

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