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Matthias Flacius Illyricus

Matthias Flacius Illyricus

1.1. Name, Tätigkeiten und Positionen

Matthias Flacius Illyricus [Matija/Matije Vlacich/Vlačić, alias Franković; gen. Illyricus Albonensis]

Pfr.; Prof. f. Hebr. und N.T.; Dr. theol.; theologischer Schriftsteller (Kirchengesch., Hermeneutik); luth.; verh.

1.2. Geburts- und Todesjahr und -ort

* 03. 03. 1520 Albona/Istrien

† 11. 03. 1575 Frankfurt/M.

1.3. Herkunft, Lebensbeschreibung, Konfession

geb. in der venezianischen Stadt Albona/Labin, Vater Andreas Vlačić war kl. (adliger) Landbesitzer, Mutter Jacoba stammte aus der it. Patrizierfamilie Luciani; Unterricht in Venedig bei dem Humanisten Battista di Cipelli/Baptista Egnatius in der Schule an San Marco und währenddessen Absicht, einem oberit. Franziskanerkonvent beizutreten; 1539 v. seinem Onkel Baldo Lupetina nach Deutschland geschickt − dieser war franziskanischer Ordensprovinzial und insgeheim ein Anhänger Luthers, weshalb er später 20 Jahre im Gefängnis saß und schließlich von der Inquisition ertränkt wurde; Studium in Basel und Tübingen, ab 1541 in Wittenberg, mind. teilw. durch Betreuung v. Schülern selbst finanziert; 1543 Mag.; 1544 ebd. Prof. f. Hebr.; 1545 Heirat; 1546 Dr. theol.; entschiedener Luther-Anhänger und Gegner des Interims; 1549 ging er deshalb aus Wittenberg fort und war von da an sein Leben lang in zahlreiche theologische Streitigkeiten verwickelt: adiaphoristischer, majoristischer, osiandrischer, schwenckfeldischer, synergistischer Streit, weshalb er mehrfach Beruf und Wohnort aufgeben musste; seit 1551 in Magdeburg; seit 1553 Beschäftigung mit Kirchengesch.; 1557 Prof. f. N.T. in Jena; als Prof. in Jena ab 1557 organisierte er die ev. Kirche Thüringens, wurde aber nach der Etablierung einer hzl. Kirchenbehörde 1561 entlassen; 1562-66 in Regensburg bei N. Gallus, dort mit kirchenhist. Arbeiten beschäftigt, durch ksl. Haftbefehl vertrieben; Pläne, in Regensburg und in Klagenfurt ev. Univ. zu organisieren, die Drucklegung südslawischen Schrifttums zu koordinieren, eine gesamtev. Synode zu organisieren, konnte er nicht realisieren; 1566 Pfr. der luth. Gemeinde in Antwerpen; 1567 Übersiedlung nach Straßburg; bezog erbittert Stellung gg. die „Versöhnungspolitik“ Jakob Andreaes; 1569 brach Wigand mit ihm; 1571 Disputation mit Andreae in Straßburg; 1573 Ausweisung aus Straßburg, nach der Vertreibung v. dort in Frankfurt/M., dort zuletzt Privatgelehrter; seine Auffassung der Erbsünde als menschliche Substanz − im Gegensatz zu V. Strigels Akzidenz-Auffassung, Weimarer Disputation 1560 − führte dazu, dass die Mehrheit der Gnesiolutheraner mit den diese Sonderlehre vertretenden Flacianern brach, und auch zu seiner Ausweisung aus Straßburg; entschiedener Gegner philippistischer und röm.-kath. Ansichten v. luth. Position aus; Begründer der prot. Kirchengeschichtsschreibung (als Lehr- und Dogmengesch.) und einer lutherischen Hermeneutik; beeinflusste die elisabethanische Herrschaftsideologie und den puritanischen Kleiderstreit; trug eine große Privatbibliothek zusammen, die 1597 v. Hz. Heinrich Julius v. Braunschweig-Wolfenbüttel gekauft wurde; Beiträge zur Slawistik: (1) sein „Alphabetum slavonicum“ in der „Otrozhia Biblia“ (Kinderbibel) v. 1566 bedeutet einen originellen und weit blickenden Versuch einer Grundlegung der neueren Schrift und Rechtschreibung bei den Kroaten und Slowenen, darin auch Katechismus in fünf Sprachen (kroatisch, slowenisch, it., dt., lat.), (2) neue kroatische Wortprägungen in „Razgovaranje meju papistu i jenim luteran“ stammen (evt.) v. ihm; in der Moderne wurde sein Leben Thema des Schauspiels „Reformatori“ v. Nejeljko Fabrio und der Oper „Labinska Vještica“ (Die Hexe von Labin; 1957) v. Natko Devcić

1.4. Literatur zur Person

PRE3 6 (1899) 82-92 (Gustav Kawerau); LThK2 4 (1960) 161f. (Peter Meinhold); LThK3 3 (1995) 1312f. (Peter F. Barton); RGG3 2 (1958) 971 (G. Moldaenke); TRE 11 (1983) 206-214 (Oliver Kermit Olson) (Lit.); BBKL 2 (1990) 43-48 (Friedrich Wilhelm Bautz); EncR 2 (1996) 110f. (Oliver Kermit Olson); Mitteldt. Lebensbilder 2 (2004) 177-199 (Thomas Kaufmann); Wilhelm Preger, Matthias Flacius Illyricus und seine Zeit. 2 Bde. Erlangen 1859/61 (= ND Hildesheim/Nieuwkoop 1964) (umfangr. Bibliographie seiner Werke); zu seiner Straßburger Zeit: Alcuin Hollaender, Der Theologe Matthias Flacius Illyricus in Straßburg in den Jahren 1567-1573. In: Dt Zeitschrift f Gesch der Wiss NF 2 (1897f.) 203-224; F. W. E. Roth, Des Matthias Flacius Illyricus Beziehungen zu den Städten Straßburg und Lindau 1570-1572. In: Zeitschrift f wissenschaftliche Theologie 54 (1912) 244-255; Mijo Mirković, Matija Vlacić Ilirik. 2 Bde. (= Djela Jugoslavenske Akedemije Znanosti i Umjetnosti 50). Zagreb 1960 (mit dt. Zsf. 487-549), Pula/Rijeka 1980 (mit kroat. Bibl.), 139 (zu den neuen kroat. Wortprägungen). 453ff. 519f., Taf. 18 (zur Kinderbibel „Otrozha biblia“. Regensburg 1566: gedacht als Lehrbuch für die konfessionelle Schule in Ljubljana/Laibach, auch für die Mehrheit der Landbevölkerung Krains, daher ist der Grundtext des Buches slowenisch; der kroat. Katechismus ist für die kroat. Bevölk. Istriens, des Küstenlandes und der Militärgrenze, verfasst; der dt. Katechismus für die adelige und bürgerliche Schicht in Slowenien; der it. Katechismus für die it. Bevölk. von Istrien und Görz sowie für die Nachbargebiete; der lat. Katechismus als Vergleichstext für die anderen); Joachim Maßner, Kirchliche Überlieferung und Autorität im Flaciuskreis. Studien zu den Magdeburger Zenturien. (= Arbeiten zur Gesch und Theologie des Luthertums 14). Berlin [u.a.] 1964; Heinz Scheible, Die Entstehung der Magdeburger Zenturien. Ein Beitrag zur Gesch. der historiographischen Methode. (= Schriften des Vereins f Reformationsgesch 183, Jg. 72). Gütersloh 1966; Schauspiel: Nedjeljko Fabrio, Reformatori. Labilni Polozaj. Zagreb 1969; Jörg Baur, Flacius − Radikale Theologie. In: Josip Matešić (Hg.), Matthias Flacius Illyricus. 1575-1975. Hg. v. Regensburger Osteuropainstitut. (= Schriftenreihe des Regensburger Osteuropainstituts 2). Regensburg [u.a.] 1975, 37-49; Erwin Wedel, Matthias Flacius Illyricus, ein bedeutender kroatischer Humanist: Matthias Flacius Illyricus 1575-1975. Regensburg 1975, 23-35; Oliver Kermit Olson, „Der Bücherdieb Flacius“ − Geschichte eines Rufmords. In: Wolfenbütteler Beiträge 4 (1981) 111-145; ders., Matthias Flacius Illyricus. In: Jill Raitt (ed.), Shapers of Religious Traditions in Germany, Switzerland, and Poland, 1560-1600. New Haven 1981, 1-17; Peter F. Barton, Matthias Flacius Illyricus. In: Gestalten der Kirchengesch.. Hg. v. Martin Greschat. 12 Bde. Stuttgart [u.a.] 1981-86. Bd. 6 (1981) 277-292; Katarina Sieh-Burens, Oligarchie, Konfession und Politik im 16. Jahrhundert. Zur sozialen Verflechtung der Augsburger Bürgermeister und Stadtpfleger 1518-1618. (= Schriften der Philos Fakultäten der Univ Augsburg, Hist.-sozialwissenschaftliche Reihe, 29). München 1986, 178 + Anm. 434 (MFI bezeichnet die Augsburger Bürgermeister Sixt Eiselin − Herbrot-Netz − und Johann Baptist Haintzel − Welser-Netz − „als ,meine ganz günstigen herrn und besonderen patron‘“); Josip Matešić (Hg.), Matthias Flacius Illyricus. Leben & Werk. Internationales Symposium, Mannheim, Febr. 1991. (= Südosteuropa-Studien 53). München 1993; Antonia Bernard, La Réforme et le livre slovène. In: Bulletin de la Société de l’Histoire du Protestantisme Français 141 (1995) 5-26; Oliver Kermit Olson (ed.), Matthias Flacius and the Survival of Luther’s Reform. (= Wolfenbütteler Abhandlungen zur Renaissanceforschung 20). Wiesbaden 2002; Irena Backus, Historical Method and Confessional Identity in the Era of the Reformation (1378-1615). (= Studies in medieval and Reformation thought 94). Leiden/Boston 2003

Autobiogr. Quelle: Crusius, Tagebuch I eds Göz./Conrad 120 (28. 06. 1596)

2.1. Quelle: benutzte Edition

a) Bericht M. Fla. Jllyrici / Von etlichen Artikeln der Christlichen Lehr / vnd von seinem Leben / vnd endlich auch von den Adiaphorischen Handlungen / wider die falschen Geticht der Adiaphoristen. o.O. [Jena] 1559 (autobiogr.: 2. Teil G ir-L ir)

b) Erzehlunge der Handlungen / oder Religionsstreiten vnd Sachen Matthiae Fl. Jllyrici / von jm selbs trewlich vnd warhafftiglich / auff Beger der Prediger zu Strasburg / beschrieben / Anno 1568. zu Strasburg. In: Eine Christliche predigt vber der Leiche des Ehrnwürdigen vnd hochgelerten Herrn, M. Matthiae Flacij Jllyrici, Weiland getrewen Dieners vnd bestendigen Merterers Jesu Christi, Fromen Hertzen zu gut gestellet, Durch M. Gasparem Heldelinum Lindauiensem. Item, Summarischer Bericht, der Handlungen vnd Streitsachen Herrn Matthiae Flacij Jllyrici, von jm selbst verzeichnet. Esaie 56 ... s.l. 1575, S iiir- Ee iiv (135 Bl.)

c) Bericht Math. Fl. Jllyrici / von dem Misuerstand / zwischen jm vnd dem Ministerio, aus Befehl eines Erbaren Rhats / zu Strasburg geschrieben vnd vberantwortet / den 5. Julij / Anno / 1572. In: ebd. Ee iiir-Ii iiv

2.2. Beschreibung der Edition, Bemerkungen

b), c) (ed. Heldelin): keine Editionsprinzipien genannt

2.3. Literatur zur Quelle bzw. Edition

Jancke (2002) 208f. (Rezeptionskreise)

2.4. weitere Editionen; Auszüge, Übersetzungen

a) dass. 1561

b) Erzehlunge der Handlungen oder Religionsstreiten und Sachen Matthiae Fl. Jllyrici von jm selbs treiwlich und warhafftiglich auff Beger der Prediger zu Strasburg, beschrieben. Strasburg 1568 (56 Bl., 4o)

3.1. Abfassungszeit

a) 1558 o. 1559

b) 1567 o. 1568

c) 1572

3.2. AdressatInnen

a) adiaphoristische Theologen, v.a. Melanchthon (d.h. Befürworter des Interims)

b) Straßburger Pfr., allgemeines Publikum

c) Straßburger Rat

3.3. Funktion der Quelle

a) Selbstverteidigung, -rechtfertigung

b) Information der Straßburger Pfr. über den Verlauf (nicht die theologischen Inhalte) der versch. theologische Konflikte, besonders den um das meißnische Interim

c) Darlegung der Gründe f. seine Wahl Straßburgs als Wohnort sowie seiner friedlichen und konflikthaften Beziehungen zu den dortigen Pfarrern auf Verlangen des Rates; die Schrift soll dem Rat offenbar als Entscheidungsgrundlage im Konflikt der einheimischen mit dem fremden Theologen dienen

3.4. Medium (hsl.; gedr.); Überlieferung; Ort der Hs.

a) gedr.; b) gedr. (1568); c) zunächst wohl hsl., posthum gedr.

4.1. Berichtszeitraum

a) 1548-59

b) 1539-68

c) 1568-72

4.2. Sprache

a) dt. mit lat. Zitaten

b) dt.

c) dt.

4.3. Form der Quelle

a) Ich-Form; Prosa; vier Teile: theologische Selbstverteidigung gg. seine adiaphoristischen Kritiker (A ir-G ir), autobiogr. Selbstverteidigung gg. seine adiaphoristischen Kritiker, Melanchthon als Hauptvertreter der Gegenposition (G ir-L ir), theologische Widerlegung seiner Gegner aus deren eigenen Schriften (L ir-M ir), Widerlegung des Vorwurfs, er lehne das Urteil einer Synode o.ä. über die Streitgegenstände ab (M ir-M iiir)

b) Ich-Form; Prosa; Lebensgesch. als Gesch. der theologischen Streitigkeiten und Gegner

c) Ich-Form; Prosa; Lebensabschnitt (Straßburg 1568-72) als Gesch. der Beziehungen zu den Straßburger Pfr. und zu Jakob Andreae

4.4. Inhalt

a) verschiedenste Beschuldigungen, alle ohne lange Erzählungen o. zusätzliche Informationen widerlegt

b) Lebensdaten v.a. die theologischen Streitigkeiten und Gegner betreffend

c) Gesch. seiner theologischen Beziehungen zu den Straßburger Pfarrern und zu Jakob Andreae

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