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Martin Chemnitz

Martin Chemnitz

1.1. Name, Tätigkeiten und Positionen

Martin Chemnitz [Martin Kemnitz, Martin Chemnitius]

Lehrer, Astrologe, Bibliothekar, Theologe, Superintendent, Visitator; Dr. theol.; luth.; verh.

1.2. Geburts- und Todesjahr und -ort

* 09. 11. 1522 Treuenbrietzen

† 08. 04. 1586 Braunschweig

1.3. Herkunft, Lebensbeschreibung, Konfession

Vater Kaufmann (Flachs, Fische) und Tuchmacher, 1533 gest.; MCh 1536 kurz in Chemnitz Schüler, dann wieder zu Hause, 1538 Beginn einer Tuchmacherlehre, 1539-42 Schule in Magdeburg, dann Lehrer in Calbe/Saale, 1543 Studium (Math., Astrologie) in Frankfurt/O., 1544 Lehrer und Fischzollschreiber in Writzen, 1545 Studium in Wittenberg, 1547 Königsberg, 1548 Lehrer ebd., 1548 Mag., 1549 Wittenberg, 1550 hzl. Bibliothekar in Königsberg, ebd. in der Bibliothek theologisches Selbststudium, 1553 wieder nach Wittenberg und ebd. Dozent, las über Melanchthons „Loci theologici“, 1554 erste eigene Theologievorlesungen und Koadjutor des Superintendenten Mörlin in Braunschweig, unter MCh und Mörlin herrschte eine klare, aber maßvolle luth. Orthodoxie, die sich v. den Extremen des Flacianismus und Philippismus fernhielt; 1555 Heirat, bis 1570 (=Abfassungszeit der Autobiographie) zehn Kinder, 1567 Superintendent in Braunschweig und Reformator des Hzm. Braunschweig-Wolfenbüttel, zunächst Mörlin untergeordnet, dann selbstständig; 1568 veranlasst der Rat auf eigene Kosten MChs Dr.-Promotion in Rostock, um seine Autorität der seiner Vorgänger anzugleichen; mit Jakob Andreae zusammen 1568 Leitung der wolfenbüttelschen Landesvisitation und Abfassung der Kirchenordnung 1569; in den 1570er Jahren war er mit der Konkordienformel und der Findung einer unabhängigen Position zugunsten seiner Landeskirche (bzw. Hz. Julius’ v. Braunschweig-Wolfenbüttel) zw. Andreae und Selnecker beschäftigt; 1576 an der Gründung der Univ. Helmstedt durch Hz. Julius mitbeteiligt; leitende Rolle (neben Andreae) bei der Abfassung und Durchsetzung der Konkordienformel; 1584 legte er aufgrund versch. Querelen sein Amt nieder; verstand das kirchliche Amt als Mittlerposition zw. Obrigkeit und Gemeinde

1.4. Literatur zur Person

Jöcher 1 (1750) 1864; ADB 4 (1876) 116-118 (Brecher); NDB 3 (1957) 201f. (Ernst Wolf); LThK2 2 (1958) 1043f. (Ernst Walter Zeeden); LThK3 2 (1994) 1034 (Harald Wagner); RGG3 1 (1957) 1647f. (Franz Lau); RGG4 2 (1999) 127f. (Theodor Mahlmann); TRE 7 (1981) 714-721 (Theodor Mahlmann); BBKL 1 (1990) 991f. (Friedrich Wilhelm Bautz); PRE 3 (1897) 796-804 (Schmid/Johannes Kunze); Theodor Pressel, Martin Chemnitz. Nach gleichzeitigen Quellen. Elberfeld 1862; Carl Georg Heinrich Lentz, Dr. Martin Kemnitz, Stadtsuperintendent in Braunschweig, Kurfürstlicher Brandenburgischer und Herzoglicher Braunschweig-Lüneburgischer Consistorial- und Kirchenrath. Ein Lebensbild aus dem 16. Jahrhunderte. Aus gedr. und hsl. Nachrichten entworfen. Gotha 1866; Hermann Hachfeld, Martin Chemnitz nach seinem Leben und Wirken, insbesondere nach seinem Verhältnisse zum Tridentinum. Unter Benutzung vieler, zum Theil wenig bekannter, Hss. Leipzig 1867; Martin Brecht/Hermann Ehmer, Südwestdt. Reformationsgesch. Zur Einführung der Reformation im Herzogtum Württ. 1534. Stuttgart 1984, 409. 425. 437-439; Wolfgang A. Juenke (Red.), Der zweite Martin der Luth. Kirche. FS zum 400. Todestag v. Martin Chemnitz. Hg. v. Ev.-luth. Stadtkirchenverband und Propstei Braunschweig. Braunschweig 1986; Inge Mager, „Ich habe dich zum Wächter gesetzt über das Haus Israel.“ Zum Amtsverständnis des Braunschweiger Stadtsuperintendenten und Wolfenbüttelschen Kirchenrats Martin Chemnitz. In: Braunschweigisches Jb 69 (1988) 57-69 (hierarchisch geprägtes Amtsverständnis, kam absolutist. Neigungen der Obrigkeit eher entgegen, nach: ARG 19 [1990]: Beiheft Lit.bericht no. 105); Ernst Zinner, Entstehung und Ausbreitung der Copernicanischen Lehre. 2. Aufl., durchges. u. erg. v. Heribert M. Nobis/Felix Schmeidler. München 1988, zuerst 1943, 124f. 524; Jacob A. O. Preus, The Second Martin. The Life and Theology of Martin Chemnitz. St. Louis 1994 (Bibliographie); Thomas Kaufmann, Martin Chemnitz (1522-1586). Zur Wirkungsgesch. der theologischen Loci. In: Heinz Scheible (Hg.), Melanchthon in seinen Schülern. (= Wolfenbütteler Forschungen 73). Wiesbaden 1997, 183-253 (Lit.); David C. Steinmetz (Hg.), Die Patristik in der Bibelexegese des 16. Jahrhunderts. (= Wolfenbütteler Forschungen 85). Wiesbaden 1999; Irena Backus, Historical Method and Confessional Identity in the Era of the Reformation (1378-1615). (= Studies in medieval and Reformation thought 94). Leiden/Boston 2003

Autobiogr. Quellen: Daniel Greiser, Autobiographie (1587) Miiiv; Matthias Hoe v. Hoenegg, Autobiographie (dt.) ed. Scheuffler (1892) 36 (studierte „alle goldenen Bücher D. Chemnicii“); Leyser, Autobiographie 4/ND 684; Abraham Scultetus, Autobiographie (a) lat.: 9, (b) dt. ed. Benrath 13

2.1. Quelle: benutzte Edition

Martini Chemnitii Lebens-Lauff, v. ihm selbst aufgesetzt. In: Philipp Julius Rehtmeyer, Historia ecclesiastica inclytae urbis Brunsvigae. Bd. 3. (= Antiquitates ecclesiasticae). Braunschweig 1710, 277-302 (Text: 277-296)

2.2. Beschreibung der Edition, Bemerkungen

Editionsprinzipien nicht angegeben; ebenfalls nichts zu Aufbewahrungsort, Aussehen und Gesch. der Vorlage; Vorlage: Abschrift durch einen Nachkommen, nach Einschätzung des Hg. unvollst. (nur Anfang vorh.)

2.3. Literatur zur Quelle bzw. Edition

Anette Völker-Rasor, Bilderpaare − Paarbilder. Die Ehe in Autobiographien des 16. Jahrhunderts. (= Rombach Wissenschaft. Reihe Historiae 2). Freiburg 1993

2.4. weitere Editionen; Auszüge, Übersetzungen

Mart. Chemnitii Eigenhändige Lebens-Beschreibung. Nebst denen Ihm zu Braunschweig gesetzten Epitaphiis. Königsberg in Preußen 1719, 2-23. (Text, 24 S.); Mart. Chemnitii eigenhändige Lebens-Beschreibung. In: Erleutertes Preußen, oder auserlesene Anmerkungen über versch. zur Preussischen Kirchen-, Civil- und Gelehrten-Historie gehörige besondere Dinge ... Königsberg 1723-42 [versch. Verf.]. Tom. 3. Königsberg 1726, 321-352

3.1. Abfassungszeit

ab 1570-1579

3.2. AdressatInnen

„Kinderchen und Nachkommen“

3.3. Funktion der Quelle

evt. Wissensbedürfnis der Adressaten hinsichtlich MChs „Ankunfft / und wie wunderlich auch gnädiglich der fromme GOTT die Zeit meines Lebens mich gefu(e)hret“

3.4. Medium (hsl.; gedr.); Überlieferung; Ort der Hs.

hsl.; MChs Überlieferungsabsicht: „daß es in diesem Büchlein bey meinen Kindern bleiben solle“; Gesch. v. Orig. und Abschrift unbekannt

4.1. Berichtszeitraum

Anfang/Mitte 15. Jh. (Urgroßeltern) -1555 (Loci-communes-Vorlesung in Braunschweig)

4.2. Sprache

dt., mit eingestreuten lat. Sätzen und Redewendungen

4.3. Form der Quelle

Ich-Form; vorw. Bildungsgesch. mit Schwerpunkt auf materiellen Verhinderungen und Ermöglichungen sowie Berufswahlentscheidungen

4.4. Inhalt

Berufe der Vorfahren ab Urgroßeltern: Bürgermeister, Kaufleute; Scheitern des älteren Bruders wg. v. der Mutter verhinderter Liebesheirat; eigenes Leben als Kampf gg. familiäre Berufsplanung (Kaufmann) und finanzielle Schwierigkeiten bei der Realisierung des eigenen Ausbildungswunsches, gewandelte Rolle der Astrologie in MChs Leben, versch. Möglichkeiten des Ausstiegs aus der akademisch-kirchlichen Karriereleiter; Amt in Braunschweig und erste öfftl. Vorlesung dort, Heirat und zehn Kinder

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