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Wirtschafts- und Rechtsdokumente in der Pahlavi-Kursive, Probleme der Pahlavi-Schrift

Beschreibung des Schwerpunkts

Ende der achtziger Jahre wurden in Europa und Amerika von Antiquitätenhändlern plötzlich zahlreiche neugefundene Dokumente in der Pahlavi-Kursive zum Verkauf angeboten. Es handelte sich hierbei um Leder- und Leinendokumente, die – nach Auskunft des Antiquitätenhändlers – in großer Anzahl in der Gegend der Stadt Qom, südlich der iranischen Hauptstadt Teheran, gefunden worden waren. Ein Großteil dieser Stücke wurde zu einem sehr hohen Preis in Amerika verkauft und befindet sich heute in Berkeley. Ein anderer Teil kam nach Deutschland und konnte zu einem erschwinglichen Preis vom Institut für Iranistik erworben werden. Einige Einzelstücke desselben Fundes gingen an Privatpersonen.

Da nur sehr wenige Originaldokumente aus der vorislamischen Zeit erhalten geblieben sind, bedeutet ein solcher Fund eine wissenschaftliche Sensation, die - wie inzwischen deutlich geworden ist - zahlreiche Bereiche der historischen Forschung bereichern wird. Die Texte bieten die seltene Möglichkeit, unsere Kenntnisse dieser Zeit aus erster Quelle zu ergänzen, wertvolle Auskünfte über die Sprache und Schrift, das Geschäfts- und Alltagsleben sowie die Zeit- Rechts- und Wirtschaftsgeschichte aus erster Hand zu gewinnen. Die Bearbeitung dieser Dokumente wurde in einem von der DFG finanzierten Projekt vorgenommen, für das Dieter Weber, einer der weltweit führenden Experten für die Pahlavi-Kursive, als wissenschaftlicher Mitarbeiter gewonnen werden konnte. Weber gehört zu den wenigen Iranisten, die sich nach Hansen um die Bearbeitung von Texten in der Pahlavi-Kursive verdient gemacht haben. Die Entzifferung der Dokumente brachte zahlreiche wichtige Einzelheiten zu Tage, die nicht nur für die Wirtschafts- und Rechtsgeschichte Irans, sondern darüber hinaus für die allgemeine Wirtschaftsgeschichte von Bedeutung sind (z.B. die Herkunft unseres Ausdrucks "Scheck" aus dem in diesen Quellen gebrauchten Terminus čak "Vermerk, Zahlungsanweisung, Quittung").

Die Arbeit an den neuen Wirtschafts- und Rechtsdokumenten in der Pahlavi-Kursive, die sich – wie o. beschrieben – z.T. in Berkeley befinden, wird im Rahmen eines weiteren DFG-Projektes ("Pahlavi-Briefe im 'Pahlavi Archive' der Bancroft Library, Berkeley, Cal.") fortgesetzt.

Aus der Arbeit an den Texten in Pahlavi-Kursivschrift ist auch das von der DFG finanzierte Projekt "Entwicklung der Pahlavi-Schrift" hervorgegangen, in dem es um die Rekonstruktion einer detaillierten Entwicklungsgeschichte der Pahlavi-Schrift geht, die für die Lösung zahlreicher Lese- und Interpretationsprobleme der o.g. Texte von großer Wichtigkeit ist. Die frühzeitige Herausbildung einer Kursive ist nicht nur für die Entwicklung der Pahlavi-Schrift von entscheidender Bedeutung, sondern auch für die Erfindung der Avesta-Schrift in sasanidischer Zeit, durch die die Zoroastrier für sich erstmalig die Möglichkeit schufen, ihre religiösen Texte schriftlich zu fixieren. Das Vorhaben soll auch eine genauere Datierung dieser wichtigen Erfindung, die nicht nur von religionshistorischem Interesse ist, sondern die Avesta-Philologie insgesamt auf eine sicherere Grundlage stellen würde, ermöglichen.

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